Wie kann eine Kommune die Lebensqualität und die Gesundheitschancen ihrer Bürgerinnen und Bürger von jung bis alt so fördern, dass im Durchschnitt für jeden Bürger ein gutes Jahr mehr herauskommt? Das erforschen die Universitätsklinika Mannheim und Tübingen gemeinsam mit dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer: „Das Vorhaben ist genauso einzigartig wie zukunftsweisend. In einem groß angelegten Experiment wollen wir herausfinden, wie ein gesundes und längeres Leben ermöglicht werden kann. Das ist wirklich hochspannend.“
Im Dreieck zwischen Karlsruhe, Baden-Baden und Pforzheim liegt die Stadt Gaggenau. Mit knapp 30.000 Einwohnern ist die Kommune das Sinnbild eines baden-württembergischen Mittelzentrums. In den kommenden acht Jahren ist für die badische Stadt ein einzigartiges Experiment geplant: Maßnahmen in Kindertagesstätten, Schulen, Betrieben und Einrichtungen für Ältere sowie einladende Angebote an die Bürgerinnen und Bürger sollen die gesundheitliche Lebensqualität so verbessern, dass allen Einwohnern im Schnitt ein gutes Lebensjahr mehr beschert wird.
„Noch nie konnte in einem Feldversuch dieser Größe ein solches Unterfangen umgesetzt werden. Was sich wie Science Fiction anhört, ist ein innovatives wissenschaftliches Projekt. Ich bin mir sicher, dass die herausragenden medizinischen Forscherinnen und Forscher aus Mannheim und Tübingen mit ihrer Expertise die Richtigen für diese Pionierarbeit sind“, zeigt sich Ministerin Bauer überzeugt von dem Konzept.
Sowohl die OECD („Better Life Index“) als auch die Europäische Kommission („More Years Better Lives“) richten seit einigen Jahren ihr Augenmerk auf die Bedeutung von hoher Lebensqualität und sozialen Determinanten für das Wohlergehen der Bevölkerung. Auch für Baden-Württemberg rücken diese Themen immer mehr in den Fokus. Bereits in den Jahren 2008-2010 wurde unter Federführung des Mannheimer Instituts für Public Health der Medizinischen Fakultät Mannheim eine Gesundheitsstrategie erarbeitet, die aktuell in das Gesundheitsleitbild des Landes und das Landesgesundheitsgesetz einfließen.
Was wirkt, sind nicht große neue medizinische Erfindungen, sondern das Drehen an kleinen Stellschrauben im Alltag. Beispielsweise lohnt sich die Betrachtung der Frage, was Betriebe dazu beitragen können, um eine Arbeitswelt zu schaffen, die sich förderlich auf die seelische und körperliche Gesundheit und die Arbeitsproduktivität ihrer Mitarbeiter auswirkt. Oder welche Strukturen eine Stadt schaffen kann, um ältere Menschen vor der Vereinsamung zu schützen.
Eine weitere Stellschraube hat schon mit den kleinsten Bürgerinnen und Bürgern zu tun: Gesunde Ernährung, mehr Bewegung und soziales Miteinander werden schon in der Kindertagesstätte oder Schule geübt und erlernt. Umso mehr, wenn die Eltern mitmachen.
Konkrete Erfolge versprechen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Wahl ihres Forschungsansatzes, der die Bevölkerung im gesamten Projekt stark beteiligt. Mit dabei sind die großen Arbeitgeber der Stadt (z. B. Daimler AG) wie auch Vertreter aller Bevölkerungsgruppen und Lebenswelten. Erst durch das Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger wird aus der Strategie ein für die Kommune passendes Erfolgsrezept.
Das Land fördert das Verbundvorhaben „Ein gutes Jahr mehr für jeden Bürger“ in den kommenden drei Jahren mit jährlich 350.000 Euro aus der Sonderlinie Medizin, die im aktuellen Hochschulfinanzierungsvertrag „Perspektive 2020“ festgeschrieben ist. In der Sonderlinie stehen jährlich insgesamt bis zu 10 Millionen Euro zur Verfügung.