Provenienzforschung und mögliche Rückgaben

Umgang mit kolonialen Kulturgütern: Der baden-württembergische Weg

Ministerin Petra Olschowski und weitere Akteure mit der Elfenbeinmaske der Königsmutter

Das Land Baden-Württemberg bekennt sich zu seiner historischen Verantwortung, die sich aus der kolonialen Vergangenheit Deutschlands und Europas ergibt. Um die Herkunftsgeschichten kolonialer Kulturgüter in Museen und universitären Sammlungen nachzuvollziehen, setzt das Land auf Provenienzforschung. Auf dieser Basis können unrechtmäßig erlangte Artefakte auch zurückgegeben werden. Grundlegend ist dabei der enge Austausch mit den Herkunftsgesellschaften.

Bis ins 20. Jahrhundert sind viele Kulturgüter aus kolonialen Kontexten nach Europa gebracht worden. Dies geschah oftmals mit Gewalt, durch Militäraktionen oder im Auftrag von Museen sowie Universitätssammlungen. Baden-Württemberg geht bei der Aufarbeitung der Kolonialzeit und ihrer Folgen voran. Die mögliche Rückgabe von Objekten und Kulturgütern aus kolonialen Kontexten ist eingebettet in eine Gesamtstrategie, an der Museen, aber auch Universitäten, Archive und die Herkunftsgesellschaften beteiligt sind – das ist der baden-württembergische Weg.

Wissenschafts- und Kunstministerin Petra Olschowski: „Die Frage, wie wir mit Kulturgütern und anderen Objekten in unseren Sammlungen umgehen, die im kolonialen Kontext erworben wurden, wird immer stärker diskutiert – weit über die Museen hinaus. Auch in der Gesellschaft gewinnt das Thema an Relevanz, denn die Aufarbeitung der Vergangenheit ist immer Ausgangspunkt, um die Gegenwart zu verstehen. Baden-Württemberg kommt hierbei seiner historischen Verantwortung nach.“

Von entscheidender Bedeutung im Umgang mit dem kolonialen Erbe sind Transparenz und Offenheit. Das bedeutet: gut aufgearbeitete und präsentierte Sammlungen, die auch über die Herkunftsgeschichte der Objekte und einen möglichen kolonialen Kontext informieren. Daher werden die Sammlungen in baden-württembergischen Museen und Hochschulen systematisch aufgearbeitet und Ergebnisse online zugänglich gemacht. Dies ist Ausgangspunkt für weitere Dialoge und Zusammenarbeit – insbesondere mit den Herkunftsgesellschaften und -ländern.

„Wir setzen die konsequente wissenschaftliche Aufarbeitung der Provenienz unserer musealen und wissenschaftlichen Sammlungen fort und legen diese transparent offen. Schwerpunkte sind dabei die Provenienzforschung bezogen auf NS-Raubgut und auf in kolonialem Unrechtskontext erworbene Objekte. Daraus können Rückgaben einschlägiger Objekte folgen.“
Koalitionsvereinbarung Baden-Württemberg

Bereits erfolgte Restitutionen

Die ehemalige Wissenschaftsministerin gibt die Witboii-Bibel und -Peitsche in Namibia zurück

Rückgabe der Witbooi-Bibel und -Peitsche

Anfang 2019 hat das Land die Bibel und Peitsche des bedeutenden Nama Kapteins und Kämpfers gegen den Kolonialismus, Hendrik Witbooi, an Namibia zurückgegeben. Beide Artefakte waren 1893 von deutschen Truppen erbeutet worden; sie befanden sich zuletzt im Stuttgarter Linden-Museum. Mit einer rund 20-köpfigen Delegation aus Wissenschaft, Kultur und Politik reisten die damalige Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Staatssekretärin Petra Olschowski in das Herkunftsland, um die Rückgabe persönlich vorzunehmen. An der Zeremonie nahmen rund 3.000 Menschen teil, darunter der Gründungspräsident Namibias, Regierungsmitglieder und Angehörige der Familie Witboii. Der amtierende Präsident Hage Geingob nahm Bibel und Peitsche entgegen.

Diese Restitution legte den Grundstein für den baden-württembergischen Weg: Rückgaben sind Ausgangspunkt für einen Dialog und gleichberechtigte Partnerschaften mit den Herkunftsgesellschaften und -ländern.  Anlässlich dieser Restitution wurde die Namibia-Initiative ins Leben gerufen. Ziel ist es, durch Austausch und gemeinsame Projekte in Wissenschaft und Kunst den Versöhnungsprozess gemeinsam mit namibischen Partnerinnen und Partnern zu gestalten. Über 30 Einrichtungen aus Namibia und Baden-Württemberg sind Teil der Initiative.

Pressemitteilung (Restitution in Namibia)

Uebergabe der Benin-Bronzen an Nigeria

Benin Bronzen: Rückgabe in Nigeria

Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg im Sommer 2021 Grundlagen für die Restitution der so genannten Benin-Bronzen geschaffen. Im Dezember 2022 konnte eine Rückgabevereinbarung mit der nigerianischen National Commission for Museums and Monuments (NCMM) geschlossen werden. Darin wurde das Eigentum aller im Linden-Museum Stuttgart befindlichen Benin-Bronzen an Nigeria übertragen. Allerdings verbleiben 24 der 70 Objekte als Leihgabe für zunächst zehn Jahre im Linden-Museum. 

Bei einer Feierstunde ist die aus dem 16. Jahrhundert stammende Elfenbeinmaske der Königsmutter Iyoba Idia an den Generaldirektor der NCMM überreicht worden. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski begleitete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach Nigeria, um die Maske der Iyoba Idia und weitere Benin-Bronzen an die Partnerinnen und Partner in Nigeria zu übergeben.

Pressemitteilung (Restitution der Bronzen)

Restitution von menschlichen Überresten

Rückgabe sterblicher Überreste der Maori an die Neuseeländischen Nachfahren im Lindenmuseum
Ende Mai 2023 hat Baden-Württemberg sterbliche Überreste von Vorfahren – Tūpuna – an Vertreterinnen und Vertreter der Māori und Moriori Communities und des Museums von Neuseeland (Te Papa Tongarewa) zurückgegeben. Das mumifizierte Haupt, die Schädel und ein zeremonielles Essbesteck waren Teil der Sammlungen des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart und des Linden-Museums Stuttgart. Die feierliche Rückgabe der menschlichen Überreste aus dem Bestand des Linden-Museums wurde von der Landeshauptstadt Stuttgart mitgetragen.
Feierliche Rückgebezeremonie von menschlichen Überresten an Hawaii
Die sterblichen Überreste von 19 Hawaiianerinnen und Hawaiianer sind Anfang April 2023 an die Gruppe Hui Iwi Kuamoʻo und Vertreterinnen und Vertreter des Office of Hawaiian Affairs (OHA) zurückgegeben worden. Die iwi kūpuna (Vorfahren) waren Teil der Sammlungen des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart und der Alexander-Ecker-Sammlung der Universität Freiburg. Die Rückgabe durch das Land fand in einer feierlichen Zeremonie im Naturkundemuseum Stuttgart statt.
Rückgabe strebliche Überreste Australien
Im April 2019 hat das Land Baden-Württemberg in einer feierlichen Zeremonie im Linden-Museum Stuttgart die sterblichen Überreste von zehn indigenen Australierinnen und Australiern an eine Delegation aus Australien zurückgegeben. Diese Vorfahren waren Teil der Alexander-Ecker-Sammlung der Universität Freiburg und des Linden-Museums Stuttgart.

Mit der Rückgabe menschlicher Überreste aus kolonialen Kontexten ist eine besondere ethische Verpflichtung verbunden, denn es handelt sich um Gebeine, Schädel und Skelette verstorbener Menschen. Diese wurden oftmals gewaltsam, auf grundsätzlich unethische Weise geraubt und nach Europa verbracht. So gut wie immer geschah dies ohne das Einverständnis der Angehörigen.

Die Rückgabe von menschlichen Überresten – in enger Abstimmung mit Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaften – hat für Baden-Württemberg hohe Priorität. Damit handelt das Land in Übereinstimmung mit den Ersten Eckpunkten zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, die Bund und Länder 2019 beschlossen haben. Darin ist die Verpflichtung zu einer bedingungslosen Rückgabe menschlicher Überreste enthalten.
Bislang sind menschliche Überreste an Delegationen aus Australien, Neuseeland und Hawaii zurückgegeben worden.

Pressemitteilung (Hawaii)
Pressemitteilung (Neuseeland)
Pressemitteilung (Australien)

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