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Stand: Juli 2024
Der Littmann-Bau ist eines der wenigen historischen Gebäude in Stuttgart, das im Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet erhalten geblieben ist. Die Lage dieses international renommierten Kulturhauses direkt neben dem Landtag hat eine große Strahl- und Symbolkraft. Die Württembergischen Staatstheater sind das größte Drei-Sparten-Haus weltweit und die größte Kultureinrichtung des Landes Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart. Der Littmann-Bau ist Spielstätte für Ballett und Oper.
Das Stuttgarter Ballett ist weltweit ein Begriff, die Oper Stuttgart wurde bereits sechs Mal als „Opernhaus des Jahres“ in der Kritikerumfrage der Opernwelt ausgezeichnet, der Opernchor war 12 Mal „Chor des Jahres“. Fast eine halbe Million Menschen besuchen pro Jahr die Vorstellungen der Württembergischen Staatstheater, die Arbeitgeber für 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Wir stehen in der Verantwortung, dieses Juwel für die nachfolgenden Generationen zu bewahren.
Die Württembergischen Staatstheater sollen an ihrem Hauptstandort am Oberen Schlossgarten saniert, modernisiert und erweitert werden. In Stuttgart-Bad Cannstatt an der Zuckerfabrik soll ein Neubau für die dauerhafte Auslagerung der Dekorationswerkstätten entstehen. Den Zuschlag für die Ausführung der Architektenleistungen hat im Februar 2023 das Architekturbüro gmp International GmbH erhalten, das die Planungen seither in Zusammenarbeit mit erforderlichen Fachplanungsbüros vorantreibt.
Darüber hinaus ist für den Zeitraum der Bauarbeiten am Oberen Schlossgarten ein Interim in der künftigen sogenannten Maker City an den Wagenhallen in Stuttgart Nord vorgesehen. Im europaweiten Wettbewerb für diesen Interimsstandort der Württembergischen Staatstheater setzte sich im Juni 2023 der gemeinsame Entwurf von a+r Architekten (Stuttgart) & NL Architects (Amsterdam) durch. Die weitere Planung erfolgt mit Unterstützung der erforderlichen Fachplanungsbüros.
Für die Planung und Umsetzung des Gesamtprojekts haben Land und Stadt im Januar 2023 die gemeinsame Projektgesellschaft Württembergische Staatstheater Stuttgart GmbH, kurz ProWST, gegründet. Christoph Niethammer wurde zum Geschäftsführer bestellt und hat seine Tätigkeit für die ProWST Mitte September 2023 aufgenommen.
Das gilt nur für den ersten, oberflächlichen Blick. Die letzte Sanierung liegt inzwischen bald 40 Jahre zurück und war im Wesentlichen eine Rekonstruktion des Zuschauerraums nach den Originalplänen von Max Littmann. Auch die Technik stammt aus den 1980er-Jahren. Heute geht es vor allem um die Arbeitsplätze und die veraltete Bühnen- und Haustechnik. Die Arbeitssituation für viele der 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würde heute nicht neu genehmigt werden, insbesondere die Arbeitsplätze in den Werkstätten sowie im Bühnen- und Orchesterbereich. An einer Sanierung führt also kein Weg vorbei.
2014 hat das Büro Kunkel Consulting International ein Gutachten erstellt, in dem der gesamte Sanierungsbedarf aller Gebäude am Hauptstandort erstmals ermittelt wurde. Das Gutachten der Theaterexperten wurde von den Fachleuten des Landes intensiv geprüft.
Eines der Ergebnisse: Um gesetzliche Bestimmungen zur Arbeitssicherheit, Energieeinsparung und Gebäudetechnik zu erfüllen, braucht es neben einer modernisierten Bühne zusätzliche Flächen von rund 10.000 Quadratmetern.
Dieser Flächenmehrbedarf wurde in einem weiteren Gutachten gründlich überprüft und bestätigt. Fazit: Die Württembergischen Staatstheater brauchen diese Flächen für ihren erfolgreichen Betrieb.
Ursprünglich sollte der Flächenmehrbedarf am Standort im Oberen Schlossgarten gedeckt werden. Dazu sollte das alte Kulissengebäude an der Konrad-Adenauer-Straße, in dem u.a. derzeit die Dekorationswerkstätten untergebracht sind, abgerissen oder rückgebaut und größer neu errichtet oder erweitert werden. Der Verwaltungsrat hat sich dann aber - im Einklang mit den Empfehlungen der Bürgerbeteiligung im Jahr 2020 - dafür ausgesprochen, den enormen Raumdruck zu reduzieren und Flächen auszulagern.
Auf einem städtischen Grundstück an der Zuckerfabrik in Bad Cannstatt soll neben dem dort bereits bestehenden Kulissenlager ein neues Werkstattgebäude mit etwa 8400 Quadratmeter Nutzungsfläche zur Unterbringung der Dekorationswerkstätten geschaffen werden. Auf diese Weise kann das Kulissengebäude am Hauptstandort kleiner als bislang geplant ausfallen und es eröffnen sich Spielräume für neue städtebauliche und gestalterische Perspektiven.
Mit den konkreten Planungen für den Neubau der Dekorationswerkstätten an der Zuckerfabrik wurde bereits begonnen.
Die Kostenschätzung aus dem Jahr 2019 teilt sich auf in drei Bestandteile:
- das Opernhaus mit einer modernen Bühnentechnik
260 Millionen Euro - den Neubau des Kulissengebäudes
200 Millionen Euro - die Umstrukturierung und Öffnung weiterer bestehender Gebäude mit zusätzlichem Raum für künstlerische Vermittlungsarbeit, Programme für den Tagesbetrieb, neue künstlerische Formate und angemessene Gastronomie
90 Millionen Euro
Das sind zusammen rund 550 Millionen Euro auf Basis der Baupreise im Jahr 2019. Die Kostenschätzung wurde seitdem nicht fortgeschrieben. Grundsätzlich zeigt die dynamische Baupreisentwicklung der vergangenen Jahre die Schwierigkeit belastbarer Baupreisprognosen über längere Zeiträume.
Vor diesem Hintergrund und insbesondere aufgrund der seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nochmals deutlich gestiegenen Baupreise ist eine belastbare Prognose zur Entwicklung der Kosten für die Sanierung, Modernisierung und Erweiterung der Württembergischen Staatstheater aktuell nicht möglich. Zunächst ist für den Hauptstandort am Oberen Schlossgarten ein konkreter Entwurf und für die weiteren Teilprojekte die planerische Weiterführung bis zum Abschluss der Entwurfsplanung erforderlich. Erst dann können die Kosten belastbar ermittelt werden.
Dem Land und der Stadt ist es wichtig, mit realistischen Annahmen und einer gründlichen Planung an so ein großes Projekt heranzugehen. Auch die Finanzierung erstrecken sich über eine lange Laufzeit. Die Kosten für Arbeit und Baumaterial erhöhen sich jedes Jahr, wie andere Preise auch.
Unabhängig von einem konkreten Entwurf bestehen am Hauptstandort bei der Logistik auf der Baustelle, im Untergrund oder beim Denkmalschutz Planungs- und somit Kostenrisiken.
Deshalb haben die Fachleute des Landes im Jahr 2019 mit einem Zuschlag von 30 Prozent kalkuliert, was bei einem so großen und komplexen Projekt noch an Unwägbarkeiten kommen kann, und entsprechend vorgesorgt. Das sind 165 Millionen Euro zusätzlich zu den geschätzten 550 Millionen Euro.
Für die steigenden Baupreise wurden bei der Kostenschätzung aus dem Jahr 2019 über eine angenommene Projektlaufzeit von rund zehn Jahren weitere rund 243 Millionen Euro eingeplant. Das macht dann rund 960 Millionen Euro.
Die kalkulierte Gesamtsumme aus dem Jahr 2019 entspricht vergleichbaren Projekten ähnlicher Größenordnung in Deutschland und in anderen Ländern, die zum Zeitpunkt der Kostenschätzung teilweise bereits liefen.
Damit der Betrieb auch während der Bauzeit möglich ist, braucht es für die Aufführungen von Oper und Ballett und die Arbeitsplätze eine Übergangslösung – einen Interimsstandort. An den Wagenhallen in Stuttgart-Nord sollen die wesentlichen Funktionen von Oper und Ballett des Standorts am Oberen Schlossgarten mit Ausnahme der Dekorationswerkstätten untergebracht werden.
Der Großteil des Gebäudekomplexes wird im Anschluss an die WST-Nutzung dauerhaft erhalten. Bereits zu Beginn der WST-Nutzung werden dort auch Wohnungen errichtet. Der Gebäudeteil der Interimsspielstätte mit Foyer, Zuschauerraum und Bühne wird als temporärer Bau erstellt.
Analog dem Vorgehen am Hauptstandort wurde auch hier auf die geschätzten groben Baukosten ein Risikozuschlag angenommen. Da im Neubaubereich jedoch weniger Unwägbarkeiten zu erwarten sind, wurde der Zuschlag durch die Fachleute der Stadt mit 15 Prozent angesetzt. Neben einem Zuschlag auf klimaschutzfördernde Maßnahmen wurde aufgrund der sehr langen Projektvorläufe darüber hinaus eine Steigerung der Baupreise berücksichtigt. Für die temporären Gebäudeteile wurde ein Betrag von 110 Millionen Euro geschätzt, für die dauerhaften Gebäudeteile mit Wohnen ein Betrag von 114 Millionen Euro.
Die Kosten, fallen nicht auf einen Schlag an, sondern verteilen sich auf viele Jahre. Bei der im Jahr 2019 angenommenen Projektlaufzeit von zehn Jahren würde das bedeuten, dass im jährlichen Durchschnitt – ausgehend von der Kostenschätzung aus dem Jahr 2019 – mit unter 100 Millionen Euro kalkuliert werden kann. Da das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart sich als Träger der Staatstheater Stuttgart die Kosten teilen, läge der Durchschnitt jeweils bei unter 50 Millionen Euro. Wie lange die voraussichtliche Projektlaufzeit sein wird, kann aber noch nicht abschließend vorhergesagt werden.
Der Gemeinderat der Stadt hat am 2021 einen Grundsatzbeschluss für das Projekt gefasst. Damit hat er dem Sanierungskonzept zugestimmt und eine Finanzierungszusage über die anteiligen städtischen Planungsmittelerteilt. 2022 hat der Gemeinderat den Vorprojektbeschluss für das Interim im Bereich der geplanten „Maker City“ gefasst und Planungsmittel freigegeben.
Der Landtag hatte mit der Etatisierung einer Planungsrate im Haushalt 2018/19 und deren Fortschreibung in den folgenden Haushalten den Baubedarf an den WST anerkannt - und die Freigabe für die Planung erteilt.
Wenn die Entwurfsplanungen der Teilprojekte auf dem Tisch liegen, können darauf aufbauend die konkreten Kosten beziffert werden. Erst auf Grundlage dieser Kosten entscheiden die Gremien der Gesellschafter Land und Stadt über die Freigabe der weiteren Planungs- sowie der Baukosten.
Mit der Gründung der gemeinsamen Projektgesellschaft von Stadt und Land wurde ein Meilenstein erreicht. Im Januar 2023 wurde die „Projektgesellschaft Württembergische Staatstheater Stuttgart GmbH“ (ProWST) gegründet. Christoph Niethammer wurde zum Geschäftsführer bestellt und hat seine Tätigkeit für die ProWST Mitte September 2023 aufgenommen.
Die nächsten Projektschritte sind die Planung der Teilprojekte „Zuckerfabrik“ und „Interimsstandort“ sowie die Vorbereitung des Wettbewerbs für die Baumaßnahmen am Hauptstandort "Oberer Schlossgarten".
Die Stuttgarter Oper und das Ballett haben Weltrang, sie sind international von herausragender Bedeutung. Mit der Generalsanierung, Modernisierung und Erweiterung sollen die Württembergischen Staatstheater als kulturelles Aushängeschild des Landes und der Stadt für mindestens die nächsten 50 Jahre einen gesicherten und zukunftsweisenden Arbeitsort erhalten und somit weiterhin arbeits- und konkurrenzfähig bleiben. Neben den theaterspezifischen Arbeiten sollen auch städtebauliche Akzente gesetzt werden und die Baukörper sollen eine Öffnung in die Stadtgesellschaft hinein vermitteln.
Das bestehende Konzept zur Sanierung, Modernisierung und Erweiterung der Württembergischen Staatstheater beruht fast ausschließlich auf rechtlichen Vorgaben und zwingenden betrieblichen Belangen – Stichwort Arbeitsschutz. Auch die Kosten eines fiktiven Neubaus wurden geprüft mit dem Ergebnis, dass bei Zugrundelegung des Flächenbedarfs der Württembergischen Staatstheater in der Gesamtschau noch höhere Kosten anfallen würden, da der Littmann Bau ohnehin saniert werden muss. Zudem gibt es keinen geeigneten Standort für einen Neubau.
Grundlage für das Umsetzungskonzept und die Grobkostenplanung sind die Anforderungen der Württembergischen Staatstheater an Flächen und deren technische Ausstattung. Das ist die Voraussetzung für einen modernen und künstlerisch wertvollen Spielbetrieb.
Vergleichbare Projekte in anderen Städten zeigen, dass sie sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen – auch wenn sie im Vorfeld günstiger schienen.
Bei den Städtischen Bühnen Köln, einem Dreispartenhaus mit rund 700 Beschäftigten waren die reinen Baukosten anfangs mit 253 Millionen Euro veranschlagt. Aktuell rechnet man dort damit, dass die Sanierung 702 Millionen Euro kosten wird (Baukosten, inklusive Baunebenkosten und aller bekannter Risiken, Stand 30.11.2023).
Die Deutsche Oper am Rhein am Standort Düsseldorf soll für über 700 Millionen Euro einen Neubau bekommen. Das hat die Stadt Ende 2021 beschlossen.
Der Vergleich ist angemessen: Die Württembergischen Staatstheater Stuttgart sind mit 1.400 Beschäftigten das größte Drei-Sparten-Theater weltweit (Oper, Ballett, Schauspiel).
Diese Fragen sind von den Trägern Stadt und Land, den Bauverwaltungen und den Württembergischen Staatstheatern intensiv diskutiert worden. In einem mehrjährigen Prozess im Verwaltungsrat der Staatstheater hat sich das Gremium für eine Sanierung, Modernisierung und Erweiterung des Opernhauses entschieden, auch weil ein Neubau teurer wäre.
Das historische Opernhaus im Herzen der Stadt hätte auch bei einem Neubau erhalten werden müssen, um dort weiterhin Ballettaufführungen zeigen zu können. Auch dafür hätte mit erheblichen Kosten umfassend saniert werden müssen. Denn der überwiegende Teil ergibt sich aus gesetzlichen Auflagen.
Um die Kosten besser einordnen zu können, hat die Landeshauptstadt einen fiktiven Neubau berechnet. Dieser hätte realistisch beispielsweise auf dem S21-Gelände hinter dem neuen Bahnhof errichtet werden können. Mit einem Baubeginn wäre erst nach Inbetriebnahme des neuen Hauptbahnhofs und dem Rückbau des Gleisvorfelds zu rechnen gewesen.
Aus den bekannten Kosten von Opernhausprojekten in Kopenhagen, Oslo und Linz wurde ein Mittelwert errechnet, erweitert um die im Jahr 2019 zu erwartenden künftigen Baukostensteigerungen. Dieser Mittelwert für einen Opernneubau betrug 642 Millionen Euro im Jahr 2019.
Nachdem dieser Neubau errichtet worden und Oper, Ballett und die Produktionsstätten umgezogen wären, hätte erst mit der Sanierung des Littmann-Baus und dem Umbau des Kulissengebäudes begonnen werden können. Auf eine Kreuzbühne hätte verzichtet werden können, weil im Littmann-Bau dann nur noch Ballett-Aufführungen vorgesehen worden wären. Die Sanierungskosten hätten sich daher auf Basis der Preise aus dem Jahr 2019 um 20 bis 26 Millionen Euro reduziert. Auch hätte auf einen geringen Teil der Bühnentechnik verzichtet werden können. Das Kulissengebäude hätte nicht abgebrochen und neu und größer errichtet werden müssen, sondern hätte reduziert saniert werden können.
In der Summe dieser Teilprojekte war im Jahr 2019 mit Kosten von 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro zu rechnen. Darin enthalten waren nicht die zusätzlichen Kosten für den fortwährenden Unterhalt beider Spielstätte für Land und Stadt.
Auch wenn in beiden Häusern Musik gespielt wird, so haben ein Opernhaus und ein Konzerthaus vollkommen unterschiedliche Anforderungen an die Architektur und die Akustik. Eine Interimsspielstätte für Oper und Ballett benötigt einen Bühnenturm und Orchestergraben. Ein Konzerthaus benötigt dies nicht. Im Gegenteil würde ein Bühnenturm die Konzertakustik zunichtemachen. Die Stadt hat diese Frage begutachten lassen. Der Gutachter kam zu dem eindeutigen Schluss, dass weder für die Oper noch für das Konzerthaus aus einem solchen Mischgebäude eine gute Lösung entstehen würde.
Für die bauliche Erweiterung des Littmann-Baus als Voraussetzung für den Einbau der Kreuzbühne wird eine Kostenspanne von 20 bis 26 Millionen Euro auf Basis der Preise im Jahr 2019 veranschlagt. Da die Bühnentechnik sowieso ausgetauscht werden muss, spielt sie in dieser Kostenspanne keine Rolle.
Eine Erweiterung der Bühnenlandschaft ist wichtig, um schnell und effizient Umbauten und Kulissenwechsel vornehmen und auch mehr Vorstellungen anbieten zu können – damit wären mehr Aufführungen für das Stuttgarter Ballett möglich. Die Nachfrage nach Karten für das Ballett kann aktuell bei weitem nicht befriedigt werden, Besucherinnen und Besucher müssen oftmals abgewiesen werden. Mit einer Kreuzbühne könnte es künftig beispielsweise möglich sein, am Sonntagmorgen eine Opernvorstellung für Familien zu geben und am Abend eine Ballettvorstellung. Am folgenden Montagmorgen kann eine Schulvorstellung stattfinden, anschließend eine Probe und abends eine Produktion aus dem Repertoire. Mit dieser hohen Variabilität können auch neue Besuchergruppen angesprochen werden. Der Repertoirebetrieb – in Deutschland die Grundlage des Theaterbetriebs – kann so mit einer hohen programmatischen Flexibilität gestaltet werden.
Zudem bietet eine Kreuzbühne mehr Flexibilität und Raum für Bühnenbild und Regie und ermöglicht es, auch neue Entwicklungen zu realisieren. Die hervorragende künstlerische Arbeit von Ballett und Oper, die regelmäßig durch Auszeichnungen bestätigt wird, benötigt solche Produktionsbedingungen. Der hohe künstlerische Erfolg wird trotz der schwierigen Rahmenbedingungen erarbeitet und ist auf das große Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor und hinter der Bühne zurückzuführen. Dieser Erfolg darf nicht Argument dafür sein, die bestehenden Rahmenbedingungen dauerhaft zu belassen.
Visualisierung: Steffen Sommer, 3D Laser Scanning & Visualization
Für den Einbau einer Kreuzbühne müsste der Littmann-Bau an der Südseite auf einer Länge von etwa 16 Metern um etwa 2,50 Meter in Richtung Landtag verbreitert werden.
Der Spielbetrieb im historischen Littmann-Bau wäre nur noch wenige Jahre aufrechtzuerhalten. Für die veraltete Technik gibt es kaum noch Ersatzteile bzw. Personal, das damit umgehen kann.
Während das Opernhaus am Oberen Schlossgarten saniert, modernisiert und erweitert wird, kann dort nicht gespielt, gesungen, musiziert und getanzt werden. Um auch während der Bauzeit die künstlerische Exzellenz von Oper und Ballett zu erhalten und ein vielfältiges Programm anbieten zu können, wird eine temporäre Ersatzbühne benötigt.
Ein „Bürgerforum zur Sanierung der Württembergischen Staatstheater“ hat von Oktober bis Dezember 2020 stattgefunden. 57 Zufallsbürgerinnen und -bürger aus der Stadt, dem Umland und aus dem ganzen Land haben sich über mehrere Sitzungen intensiv mit der Komplexität des Projekts befasst, Expertinnen und Experten gehört und sich am Ende nach einer tiefgehenden Auseinandersetzung eine fundierte Meinung zur Opernhaussanierung und der Erweiterung gebildet.
Das Votum der Zufallsbürgerinnen und -bürger wurde den entscheidenden Gremien vorgelegt.
Es ist auch weiterhin wichtig, bei den Menschen für das Projekt zu werben. Schließlich geht es um ein Projekt, das in die Gesellschaft hineinwirkt. Das Bürgerforum war hier ein Anfang mit intensiven Erörterungen und umfassenden Informationen. Weitere Formate der Bürgerbeteiligung sind vorgesehen.
Neben den bautechnischen Gesichtspunkten sind künftig noch stärker inhaltliche Themen, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven in den Vordergrund zu stellen. Die Württembergischen Staatstheater sind dabei, eine Vision und Kommunikationsstrategie zu entwickeln, wie sie sich für das Publikum, die Gesellschaft und die Stadt öffnen und wirken wollen.
Zunächst müssen die Gremien der Gesellschafter Land und Stadt den Plänen grundsätzlich zustimmen. Erst auf dieser Grundlage kann mit dem Neubau der Dekorationswerkstätten an der Zuckerfabrik in Stuttgart-Bad-Cannstatt sowie dem Neubau des Interims in Stuttgart-Nord begonnen werden. Voraussetzung für einen Baubeginn am Hauptstandort ist die Fertigstellung der Dekorationswerkstätten und des Interims.
Ein Jahrhundert-Projekt wie die Opernhaussanierung bewahrt den aus dem Jahr 1912 stammenden denkmalgeschützten Bau als Spielstätte für die preisgekrönte Oper und das weltbekannte Ballett für die kommenden Generationen. Es ist ein internationales Aushängeschild der Stadt, der Region und darüber hinaus. Die Württembergischen Staatstheater sind auch ein zentraler Standortfaktor für die Attraktivität von Stadt und Land. Inhaltlich und künstlerisch sind Oper und Ballett selbst zukunftsentwerfend und -gestaltend – sie benötigen aber auch ein Gebäude, in dem sie dies tun können.
Die Aufführungen von Ballett und Oper werden für alle Bürgerinnen und Bürger gemacht, für alle Menschen hier im Land und darüber hinaus für alle Generationen. Oper und Ballett/Tanz sind universelle Kunstformen, die alle und alles einschließen. Sie verbinden Sprache, Bewegung, Musik, Emotionen und Sinnlichkeit zu einem Gesamterlebnis. Die Werke handeln von uns, von Menschen in besonderen Situationen und Konflikten. Oper und Ballett/Tanz arbeiten mit Erinnerung, Gegenwart und Entwürfen für die Zukunft.
Jede Spielzeit besuchen rund 450.000 Menschen die Staatstheater mit Oper, Ballett und Schauspiel. Im Opernhaus gibt es Karten ab 8 Euro.
Die Oper lädt in jeder Spielzeit zu über 300 Vorstellungen unterschiedlicher Formate ein, vom 30-minütigen Sitzkissenkonzert für die Kleinsten über kostenlose Konzerte zur Mittagszeit, Kammerkonzerte und Sinfoniekonzerte in der Liederhalle, Programme zum Mitmachen, neue Formate an neuen Orten, Ungewöhnliches und Verblüffendes, Kooperatives und Integratives, Experimentelles und Audiovisuelles und natürlich die große Oper im historischen Zuschauerraum. Die Junge Oper im Nord richtet sich insbesondere an Kinder und Jugendliche, kooperiert mit allen Schulen im Land und leistet darüber hinaus Stadtteilarbeit in Stuttgart-Nord vom Löwentor bis zum Hallschlag.
Das Stuttgarter Ballett präsentiert ein breitgefächertes Repertoire von traditionellen klassischen Balletten bis hin zu zeitgenössischem Tanz und fördert junge und etablierte Choreographinnen und Choreographen, indem in jeder Spielzeit Uraufführungen in Auftrag gegeben werden. Kostenlose Einführungen und gesonderte Kindereinführungen, Blicke hinter die Kulissen, öffentliche Trainings der Kompanie, Ballett im Park sowie Mini-Tanzworkshops und Ballettführungen sind einige der Vermittlungsprojekte und kostenlosen Angebote.
Sowohl Stadt als auch Land haben weitere wichtige Aufgaben. Diese werden aber neben der Sanierung, Modernisierung und Erweiterung der Württembergischen Staatstheater trotzdem angegangen. Das Land Baden-Württemberg gibt im Jahr rund 50 Milliarden Euro aus. Über zehn Jahre gerechnet entspricht der Landesanteil für die Sanierung, Modernisierung und Erweiterung des Stuttgarter Opernhauses etwa 0,1 Prozent des Haushaltsvolumens. Bezogen alleine auf die Bauprojekte des Landes über etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr entspräche der Landesanteil etwa 5 Prozent. Und das alles bei Kalkulation des höchsten Wertes im Jahr 2019 (inklusive Baupreissteigerungen und Risikopuffer).
Zusammenstellung der Fakten zur Sanierung des Opernhauses der Staatstheater Stuttgart
Video: "Magie gibt es nur auf der Bühne" - Arbeitsalltag im Stuttgarter Opernhaus 2019
Video: Visualisierung Kreuzbühne
Beteiligungsportal Baden-Württemberg
PM: Umsetzungskonzept für Sanierung und Erweiterung der Stuttgarter Oper und Interimsspielstätte