Forschung

Land fördert wissenschaftliche Aufarbeitung homosexueller Lebensgeschichten

Ein Forschungsprojekt der Universität Stuttgart untersucht erstmals systematisch die subkulturellen Lebensweisen und Verfolgungsschicksale homosexueller Männer im Baden-Württemberg des 20. Jahrhunderts. Die Ergebnisse der Studie „LSBTTIQ in Baden und Württemberg. Lebenswelten, Repression und Verfolgung im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deutschland“ liegen in einer umfangreichen Publikation vor. Bei der Aufarbeitung der Schicksale lesbischer, schwuler, bisexueller, transsexueller, transgender, intersexueller und queerer Menschen (LSBTTIQ) nimmt das Land eine Vorreiterrolle ein.

„Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung setzen wir ein wichtiges Signal für die öffentliche Dokumentation bisher verborgener Lebenswelten und setzen ein Zeichen der Anerkennung erlittenen Unrechts Homosexueller“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am Donnerstag (18. März) in Stuttgart.

Für die Studie wurde auf die umfangreichen Quellenbestände der Staats- und Landesarchive zurückgegriffen. Die Autorin untersuchte Dokumente der staatlichen Verfolgung wie Polizei-, Gerichts- und Gefängnisakten und analysierte individuelle Erfahrungsberichte, persönliche Briefe und Aufzeichnungen. Die Quellenvielfalt ermöglicht es, homosexuelle Männer nicht nur einseitig als Opfer staatlicher Verfolgung wahrzunehmen, sondern auch als handlungsmächtige Akteure in diesem spezifischen gesellschaftlichen und politischen Kontext.

Ministerin Theresia Bauer sagte: „Die Forschungsergebnisse und dargestellten Einzelschicksale geben erneut Anlass, uns mit diesem dunklen Kapitel der eigenen Landesgeschichte auseinanderzusetzen. Sie belegen, wie wichtig es ist, dass wir uns weiterhin mit aller Kraft und Überzeugung für eine offene, vielfältige und tolerante Gesellschaft einsetzen.“

LSBTTIQ-Forschung in Baden-Württemberg

Das vom Land geförderte Forschungsprojekt wird von Professor Dr. Wolfram Pyta, Abteilung Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart, geleitet. Das nun abgeschlossene erste Forschungsmodul ist eine Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld in Berlin und wurde von 2016 bis 2020 vom Land mit insgesamt 250.000 Euro gefördert.

Seit Oktober 2019 laufen die voraussichtlich dreijährigen Forschungsarbeiten im zweiten Forschungsmodul, das die staatlichen Repressionen und die Verfolgung nach § 175 (R)StGB zwischen 1918 und 1969 in den Blick nimmt. Das Land stellt hierfür Mittel bis zur Höhe von insgesamt 330.000 Euro bereit.

Im abschließenden dritten Forschungsmodul werden die spezifischen Lebenswelten und Verfolgungsschicksale von LSBTTIQ im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen. Das Land gibt hierfür Mittel bis zur Höhe von 350.000 Euro.

Weitere Informationen

Publikation:

Munier, Julia Noah: Lebenswelten und Verfolgungsschicksale homosexueller Männer in Baden und Württemberg im 20. Jahrhundert, Reihe Geschichte in Wissenschaft und Forschung, Stuttgart: W. Kohlhammer 2021, 458 Seiten mit 105 Abbildungen, ISBN 978-3-17-037753-0, 59 Euro.

Dr. Julia Noah Munier promovierte im DFG-Graduiertenkolleg "Selbst-Bildungen" an der Universität Oldenburg. Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Universität Stuttgart.

Online-Präsenz des Projekts:

Informationen zum Forschungsprojekt stehen im Sinne einer „Public History“ auf der Seite https://www.lsbttiq-bw.de zur Verfügung.

Pressemitteilung als PDF

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