Wissenschaftsministerin Petra Olschowski über den Gang der ETH Zürich nach Deutschland, den Umbau der Lehrerbildung, die Zukunft der Kultusministerkonferenz – und die Frage, ob Baden-Württemberg das neue Ruhrgebiet ist.
Interview vom 18. Dezember 2023 geführt von Jan-Martin Wiarda
Frau Olschowski, die ETH Zürich hat neulich verkündet, dass sie eine Filiale in Baden-Württemberg eröffnen wird – in Heilbronn, als Nachbarin der TU München. Auch für Sie eine Überraschung?
Die Dieter-Schwarz-Stiftung, die den Bildungscampus Heilbronn stark mit vorantreibt, kann ohne Rücksprache mit dem Land Entscheidungen treffen, hat uns aber einige Tage vor der Bekanntgabe der Pläne informiert. Nach unserem Landeshochschulrecht muss das Wissenschaftsministerium der Ansiedlung zustimmen. Das prüfen wir jetzt. Grundsätzlich ist es erst mal ein starkes Zeichen für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg, wenn es eine international herausragende Universität wie die ETH Zürich hierherzieht und sie ein Lehr- und Forschungszentrum für digitale Transformation errichten will. Das starke Netzwerk in der KI-Forschung, das wir im Land auch mit dem Cyber Valley aufbauen, wird dadurch noch stärker.
Sind Sie nicht enttäuscht, dass die ETH lieber dem Ruf von Milliardär Dieter Schwarz folgt, anstatt für ihren Deutschland-Trip einen der Innovationscampi auszusuchen, von denen Ihr Ministerium inzwischen fünf mit staatlichen Mitteln fördert, darunter das Cyber Valley in Tübingen?
Die ETH Zürich ist schon lange ein wichtiger Partner für das Cyber Valley, in das wir seit 2016 als Land investieren. Das Konzept vom Bildungscampus Heilbronn und unserer Innovationscampus-Modelle folgen der sehr ähnlichen Idee einer Verdichtung von Expertise, der Idee des möglichst frühen Transfers von Forschungserkenntnissen in die Wirtschaft. Im Cyber Valley sind das neben den Universitäten Stuttgart und Tübingen die Max-Planck-Gesellschaft und Unternehmen wie Amazon, Daimler oder Bosch. Dass die Dieter-Schwarz-Stiftung den Kooperationspartner ETH jetzt über die Grenze holt, eröffnet natürlich nochmal zusätzliche Perspektiven für die Zusammenarbeit.
Fest steht: Baden-Württemberg braucht solche Nachrichten dringend. Das einst erfolgsverwöhnte Vorzeigeland steckt mit seiner Automobilindustrie in einer ähnlich tiefen Strukturkrise wie das Ruhrgebiet mit seiner Kohle- und Stahlindustrie in den 60er Jahren.
Ich kenne mich gut aus mit der Geschichte des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Meine Mutter kommt aus Dortmund, mein Opa hat untertage gearbeitet. Ich erinnere mich an die Debatten am Abendbrottisch, wie mein Opa und seine Kollegen weiter auf die Kohle gesetzt haben, obwohl längst absehbar war, dass es so nicht weitergeht. Schau ich mir die Situation heute in Baden-Württemberg an, gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Erstens: Wir werden uns eben nicht von der Automobilindustrie lösen müssen, wie Nordrhein-Westfalen sich von der Kohle lösen musste. Zweitens: Viele Dinge werden sich trotzdem grundsätzlich ändern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat schon 2017 einen Strategiedialog zur Transformation der Automobilindustrie eingerichtet, bei dem die Chefs der großen Auto- und Zulieferkonzerne regelmäßig zusammensitzen mit Gewerkschaften, Lobbygruppen, aber auch mit der Wissenschaft, mit den Landesministerien. Alle Beteiligten eint: Wir bleiben ein starker Automobilstandort, aber unsere Geschäftsmodelle wandeln sich, die Antriebsformen werden andere, der Schwerpunkt der Wertschöpfung verschiebt sich vermutlich Richtung Hochtechnologie.
Namentlich: die Künstliche Intelligenz in all ihren Ausprägungen. Tatsächlich hat Baden-Württemberg mit Aleph Alpha aus Heidelberg jetzt sogar einen von nur zwei europäischen Hoffnungsträgern, um ChatGPT Parolie zu bieten. Wiederum seit kurzem größter Geldgeber: die Schwarz-Gruppe und die Dieter-Schwarz-Stiftung. Deutschland war es dann auch, das neben Frankreich am meisten Druck gemacht hat, um eine Regulierung sogenannter Foundation Models im europäischen KI-Gesetz zu verhindern. Auf Initiative Baden-Württembergs?
Es trifft zu, dass wir uns als baden-württembergische Landesregierung dafür eingesetzt haben, bei dem Gesetzgebungsverfahren die Interessen von Innovation und Forschung zu berücksichtigen. Wir müssen ein europäisches KI-Modell hinbekommen, das nicht alle Freiheiten lässt, das die Möglichkeiten von Überwachung etwa am Arbeitsplatz in den Blick nimmt, zugleich aber nicht den Weg der Überregulierung geht. Wir reden die ganze Zeit darüber, dass wir als Gesellschaft risikofreudiger werden müssen. Dann sollten wir auch danach handeln. Wir wissen heute nicht, wie der wissenschaftliche Fortschritt in fünf oder in zehn Jahren aussieht. Darum dürfen wir jetzt nicht alle technologischen Entwicklungspfade blockieren. Wir müssen in Zukunft vermutlich lernen, unsere Gesetzgebung den Erkenntnissen entsprechend laufend anzupassen und nicht zu meinen, ein Gesetz gilt für Jahrzehnte. Und wir sollten im Zweifel die Innovationskraft von Wissenschaft und Wirtschaft zulassen. Das gilt bei der KI, aber auch bei der grünen Gentechnik und anderswo.
Ob Industrie, Mobilität, Ernährung, Gesundheit: Überall, wo der Strukturwandel in Gang kommt, wo Deutschland sich neu erfinden muss, soll immer die Forschung es richten. Die Hoffnungen sind gewaltig. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Politik Wissenschaft nur noch instrumentell begreift? Als Mittel zum Zweck?
Wir müssen uns ehrlich machen. Es gab eine Zeit, da hat sich die Wissenschaft zu wenig den Erwartungen und den Bedürfnissen der Gesellschaft gestellt. Das ist vorbei. Unsere Wissenschaftslandschaft verändert sich und damit die Forschungsförderung, die wir betreiben. Alle wissen: Wir werden den Wandel in der Gesellschaft ohne neue Technologie nicht hinbekommen. Aber natürlich nicht nur über Technologie. Wir müssen genauso über soziale Innovationen reden, womit auch und gerade die Geistes- und Sozialwissenschaften gefragt sind. Es wird jedenfalls deutlich schwieriger einfach zu sagen: Das geht mich alles nichts an, mir ist egal, wie es der Gesellschaft geht und was sie braucht. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere ist: Wir wissen genau, dass es die freie Grundlagenforschung gerade um der Anwendung von morgen und übermorgen willen braucht. Sie ist die Basis aller wissenschaftlichen Erkenntnis, sie gehört grundlegend geschützt und unterstützt. Und sie wird es auch.
Dieser Paradigmenwechsel, den Sie beschreiben, ist besonders für die Grünen heftig. Wenn Sie etwa Spielraum und Experimentierlust auch in der grünen Gentechnik fordern, tun Sie das im Einklang mit Ihrer Parteifreundin, Hamburgs grüner Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, aber konträr zu langjährigen Überzeugungen des grünen Mainstreams.
Die grünen Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftspolitiker waren sich in der Hinsicht immer weitestgehend einig, das umfasst auch unsere scheidende hessische Kollegin Angela Dorn. Aber natürlich gibt es die andere Seite, Parteifreundinnen und -freunde, die ihren Fokus stärker auf der Biolandwirtschaft haben. Es ist gut, dass wir beide Strömungen in der Partei haben. Wir Grünen waren und sind eine Partei, die viele Themen der Gesellschaft in Tiefe und Breite offen ausdiskutiert. Das ist in erster Linie eine Stärke, aber manchmal auch eine Schwäche.
In Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatten Sie immer eine Verbündete, was den Schutz von KI oder grüner Gentechnik vor einer aus ihrer Sicht zu starken Regulierung anging. Doch bei vielen Themen in der Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationspolitik knirscht es zurzeit zwischen Bund und Ländern. Woran liegt das?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) erfahren wir kaum etwas zum Stand, zur Konzeption und zur Ausstattung. Vielleicht wird die DATI am Ende hilfreich sein, vielleicht wird sie ein Erfolg. Aber als Länder bleiben wir außen vor. Wir haben Vertrauen in die gebildete Gründungskommission, außerdem bin ich erfreut, dass das BMBF offenbar innovative Themen setzen und neue Formate ausprobieren will. Die Länder hätten allerdings auch Expertise bei der Frage zu bieten, wie die Agentur noch besser bzw. wie die Anschlussfähigkeit an bestehende Länderprogramme sichergestellt werden könnte. Nur: Darüber zu sprechen, ist mit diesem BMBF im Moment leider nicht so einfach möglich.
Aber warum ist das so?
Ich würde lieber darüber sprechen, wie wir das ändern. Bei den Verhandlungen um die Fortsetzung des Programms zur HAW-Forschungsförderung hatten wir zwischendurch auch sehr schwierige Phasen. Es hätte schneller und vertrauensvoller gehen können, wir haben miteinander gerungen, aber am Ende sind wir zu einem Ergebnis gekommen. Das könnte, das sollte doch jetzt unser gegenseitiges Vertrauen in unsere Kooperationsfähigkeit stärken – bis zu dem Punkt, dass der Bund unseren Wunsch, als Länder früher und besser mit ihm ins Gespräch zu kommen, ernst nimmt. Dass man im BMBF ein Gefühl dafür entwickelt, dass wir nicht nur die Schreckgestalten des Föderalismus sind, sondern Partner, die am Ende das gleiche Interesse haben: die Wissenschaft in Deutschland stark zu machen.
Wobei die Länder sich mitunter selbst schon genug Probleme bereiten. Die Wissenschaftsminister waren so frustriert über ihre Rolle in der Kultusministerkonferenz (KMK), dass sie jetzt ihre eigene Wissenschaftsministerkonferenz bekommen sollen. Droht die Scheidung von den Bildungsministern?
Ich hoffe nicht. Bis Sommer werden wir prüfen, was das richtige Format für die Wissenschaft sein wird: innerhalb oder außerhalb der KMK. Ich plädiere sehr dafür, dass wir die Verknüpfung erhalten, aber anders gestalten als bislang, denn so, wie es war, hat es wirklich nicht funktioniert. Dafür sind die Dynamiken und Schwerpunktsetzungen zwischen Bildungs- und Wissenschaftspolitik doch zu unterschiedlich. Umgekehrt gibt es viele Themen, bei denen wir eng verbunden sind. Bei der anstehenden Reform der Lehrerbildung, aber auch bei der Frage, wie das Abitur künftig die Verbindung zwischen Schule und Hochschule darstellen kann.
Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) rief schon mal eine „Revolution statt Evolution“ aus.
Es mag zutreffen, dass Karin Prien…
…Schleswig-Holsteins CDU-Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur…
…und ich eher zu denen gehören, die die Einrichtung einer eigenen Wissenschaftsministerkonferenz schmerzt. Bei Karin Prien schon deshalb, weil sie Bildung und Wissenschaft in ihrem Ressort vereint. Bei mir, weil ich zwar als Kulturministerin durchaus die Vorteile sehe, seit die Kulturminister ihre eigene Kulturministerkonferenz haben. Weil ich zugleich aber ungute Loslösungserscheinungen bemerke, obwohl sich die Kulturministerkonferenz sogar unter dem Dach der KMK befindet. Wir sind Wissenschaftsministerium, wir sind aber auch Hochschulministerium und haben damit auch die Bildung im Haus. Deshalb bin ich dafür, dass die neue Konferenz zumindest ebenfalls Teil der KMK wird. Übrigens sieht auch Markus Blume den Wert starker Verbindungen zu den Kultusministern. Manchmal hatte ich eher den Eindruck, dass unter den Kultusministerinnen und Kultusministern einige sind, die die Wissenschaft am liebsten ganz aus der KMK verabschieden wollten.
Wie stellen Sie sich den Neuanfang praktisch vor?
Es ist zu früh, das zu sagen. Aber sicherlich würde es Sinn ergeben, die Sitzungen einer Wissenschaftsministerkonferenz an die Termine der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern anzubinden, denn dann treffen wir uns ohnehin schon. Und die Termine mit dem Wissenschaftsrat müssen wir außerdem koordinieren. Was allein schon zeigt: Mehr Gremien haben nicht automatisch einen Mehrwert an sich.
Zumal Sie die Reform der Lehrerbildung eben schon ansprachen. Da werden Sie ohnehin wieder alle zusammensitzen müssen, wenn es keinen Wildwuchs geben soll. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) hat die Länder gerade dringend zu einer föderalen Stimmigkeit und Systematik bei der Neugestaltung aufgerufen.
Mein erster Eindruck ist, das Gutachten der SWK bestätigt in vielen Teilen die Richtung, die wir in Baden-Württemberg bereits eingeschlagen haben. Es gibt allerdings einige Punkte, bei denen wir anderer Meinung sind.
Sie meinen: das duale Lehramtsstudium, das Baden-Württemberg und andere Länder pushen, das die SWK-Experten aber ablehnen.
Zum Beispiel. Wobei man sich genau anschauen sollte, was mit dualem Studium gemeint ist. Wenn das Gutachten etwa empfiehlt, das Referendariat zu kürzen und die Praxisanteile in den Master zu packen, entspricht das genau dem, was wir unter der Überschrift „duales Studium“ planen. Die Sorge der SWK besteht vor allem darin, dass die Wissenschaftlichkeit des Studiums leidet, das muss aber nicht der Fall sein, wenn man die Praxiselemente vernünftig einarbeitet. Noch wichtiger sind die Themen, bei denen sich das Gutachten deckt mit dem, was wir Länder, übrigens schon jetzt recht einheitlich, vorhaben. Beispiel Ein-Fach-Lehrer: Dass es diesen in bestimmten Mangelfächern geben muss, dafür gibt es nach meiner Einschätzung in der KMK eine Mehrheit. Und trotzdem wird ein Flächenland wie Baden-Württemberg, in dem es auch kleine Grundschulen auf dem Land gibt mit nur 15 Schülern in der Klasse, teilweise andere Lösungen entwickeln müssen als ein Stadtstaat wie Hamburg.
Beim Ein-Fach-Lehrer, sagen Sie, herrsche weitgehend Konsens zwischen den Ländern. Tatsächlich? Es macht einen großen Unterschied, ob man das Modell nur für Mangelfächer etablieren will, als Notmaßnahme gegen den akuten Lehrkräftemangel – oder es durch die Bank einführt als dauerhafte strukturelle Neuordnung der Lehrerbildung.
Im Moment liegt der Fokus sehr stark auf der Mathematik, weil dort der Mangel am stärksten und der Reformbedarf zugleich besonders groß ist in einem Studium, das als extrem anspruchsvoll und angstbehaftet gilt. Wir sehen zudem, dass internationale Bewerberinnen und Bewerber nicht an Schulen arbeiten können, weil ihnen das zweite Fach fehlt. Ein entscheidender Punkt könnte sein, ob wir von Haupt- oder Nebenfächern sprechen. Das hielte ich für eine sinnvolle Unterscheidung: den Ein-Fach-Lehrer in einigen Hauptfächern ermöglichen und, wenn er sich über den akuten Lehrkräftemangel hinaus bewährt, auf weitere Fächer ausweiten.
Die SWK empfiehlt, den Absolventen der Ein-Fach-Studiengänge die berufsbegleitende, aber nicht weniger wissenschaftsbasierte Fortbildung zum zweiten Fach zu ermöglichen. Reicht das? Muss es nicht eine Verpflichtung geben? Die würde schließlich auch die Länder binden, genügend Kapazitäten dafür zur Verfügung zu stellen.
Ich wäre dafür. Möglicherweise ist es keine erstrebenswerte Perspektive, als Lehrerin oder Lehrer über Jahrzehnte hinweg immer nur Mathematik zu unterrichten. Hinzu kommt, dass die Weiterbildung im Lehrerberuf trotz aller Bemühungen nie die Bedeutung bekommen hat, die ihr zusteht. Viele Lehrkräfte beklagen seit langem, dass sie sich nicht richtig in ihrem Schulalltag weiterentwickeln können. Es wäre eine wunderbare Folge der Ein-Fach-Lehrer-Debatte, wenn wir neue, hochwertige Weiterbildungsoptionen für alle eröffnen könnten.
Einen Alleingang ist Baden-Württemberg vor Jahren bei Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende gegangen. Im vergangenen Frühsommer sprachen sich die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU dann für die Abschaffung aus, auch der unabhängige „Monitoring-Beirat“ empfahl diese. Wie geht es weiter?
Die Entscheidung wird Teil der Haushaltsberatungen 2024. Die Zahlen, die wir zuletzt wieder vorgelegt bekamen, sprechen allerdings für sich. Die Diskrepanz zwischen dem Angebot an akademischen Fachkräften und dem Bedarf, den wir in Baden-Württemberg bis 2040 haben, ist so groß, dass sie die Transformation, von der wir eingangs sprachen, erschwert. Darum ist es mein oberstes Interesse, eine möglichst große Zahl hochqualifizierter Studierender an unseren Hochschulen zu haben. Erfreulicherweise kommen auch zu uns wieder mehr internationale Studienanfänger, aber im Vergleich der Bundesländer sind wir zurückgefallen. Wir haben unsere Exzellenzuniversitäten, wir haben wunderschöne Orte zum Studieren von Heidelberg über Konstanz am Bodensee bis nach Freiburg und Tübingen, da bleibt nur ein Grund übrig, der die Entwicklung erklärt: die Studiengebühren. Das ergeben diverse Umfragen: Für Studieninteressierte aus dem Ausland sind die Studiengebühren neben der Visavergabe und anderen Barrieren die eine Hürde zu viel, um zu uns zu kommen.
Sagen Sie – während die TU München zum Wintersemester 2024/25 selbstbewusst Studiengebühren für internationale Studierende aus sogenannten Drittstaaten einführt, die sogar deutlich höher liegen.
Natürlich schauen wir uns das bayerische Modell an, das die Entscheidung über die Einführung den einzelnen Hochschulen überlässt. Was das mit der Dynamik der bayerischen Hochschullandschaft macht, wenn ein Hochschulstandort immer mehr zusätzliche Mittel generiert, während andere abfallen, wird man sehen. Umgekehrt stimmt ja, dass die deutschen Universitäten im internationalen Wettbewerb mit den USA, Kanada oder Großbritannien auch von ihrer Ausstattung her attraktiv sein müssen, und die kostet. In Bayern können die Hochschulen das Geld, das sie durch die Gebühren einnehmen, behalten. Bei uns fließen sie zum großen Teil in den Topf der Hochschulfinanzierung – verteilen sich also gleichmäßig auf alle Standorte. Die TUM kann sich bei der Betreuung ihrer internationalen Studierenden in Zukunft Dinge leisten, für die an anderen Hochschulen die Mittel einfach nicht reichen.
Sie glauben also, für die TU München könnte es sich lohnen, und die internationalen Studierenden kommen weiterhin?
Das werden wir sehen und sicher auch für uns prüfen. Auch in Baden-Württemberg gibt es mit Standorten wie Heidelberg international attraktive Orte, auch aufgrund ihrer Geschichte. Gleichzeitig brauchen wir internationale Studierende aber vielleicht gerade an den Standorten, die in den MINT-Fächern stark sind, wo die Städte aber vielleicht nicht so bekannt sind. Das könnte ein Spannungsfeld sein. Darum plädiere ich dafür, dass wir jetzt erstmal in Baden-Württemberg aus den Studiengebühren aussteigen und offen bleiben für weitere Entwicklungen.
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