Rede im Landtag am 17. Dezember 2024

Rede der Ministerin zum Stand der Opernhaussanierung in Stuttgart

In einer aktuellen Debatte wurde am 17. Dezember im Landtag über die Sanierung des Littmann-Baus, die Spielstätte der Württembergischen Staatstheater gesprochen. Ministerin Petra Olschowski nahm Stellung zu den verschiedenen Optionen.

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Rede im Landtag am 17. Dezember 2024 Rede der Ministerin zum Stand der Opernhaussanierung in Stuttgart

Datum: 17. Dezember 2024

Rede der Ministerin zum Stand der Opernhaussanierung 

In einer aktuellen Debatte „Auf dem Weg zum Drama: Wie geht es weiter mit der Staatsoper?“ (beantragt von der SPD) wurde am 17. Dezember im Landtag über die Sanierung des Littmann-Baus, die Spielstätte der Württembergischen Staatstheater gesprochen. Das Württembergische Staatstheater ist mit seinen 1400 Mitarbeiter eines der größten drei Sparten Häuser (Oper, Theater, Ballett) der Welt. Ministerin Petra Olschowski nahm Stellung zur aktuellen Diskussion um die Sanierungspläne.

Rede von Petra Olschowski

Sehr geehrte Frau Prä­sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn man sich Pläne und Luftaufnahmen von Stutt­gart aus dem Herbst 1944 anschaut, nach den schweren Luft­angriffen des Jahres, dann sieht man ein fast durchgängig zer­störtes Stadtzentrum in Trümmern.

Nur ganz wenige Gebäude haben die Angriffe überstanden und stehen zwischen den ausgebrannten und zerstörten Häu­sern wie in Schutt gefasste Juwelen. Dazu gehören der Turm der Stiftskirche und das Opernhaus von Max Littmann. Wäh­rend das direkt angrenzende Schauspielhaus Opfer des Bom­bardements und der Flammen geworden ist, blieben das so­genannte Große Haus und der Verwaltungsbau stehen und überstanden den Krieg. Mir ist das ein mahnendes Bild eines glücklichen Schicksals, das ich durchaus als Auftrag verste­he.

Aber man muss gar nicht so weit zurückschauen. Wenn heu­te in Fernsehsendungen aus der Landeshauptstadt berichtet wird, dann sieht man als Symbolbild im Hintergrund meist das festlich erleuchtete Stuttgarter Opern- und Balletthaus hin­ter dem Eckensee. Es steht für dieses Land, für diese Stadt. Es gibt nicht viele Gebäude mit dieser Geschichte und dieser Symbolkraft.

Schon 1924 ist es unter Denkmalschutz gestellt worden, und bis auf die ganz kurze Nachkriegszeit, als die amerikanischen Besatzer das Haus als Club nutzten, war dieses Gebäude ei­nes: Theater.

Als vor 40 Jahren, 1984, die letzte wichtige Restaurierung ab­geschlossen wurde, sprach der damalige Ministerpräsident Lo­thar Späth von der notwendigen „Sicherung der Vergangen­heit, um weitere Schritte in die Zukunft gehen zu können“. Und er sagte: „Die Politiker müssen diese Räume zur Verfü­gung stellen“, und zwar in dem Sinn, dass wir „den Künstlern die Freiheit dazu geben, diese Räume zu nutzen“. Auch das verstehe ich weiterhin als Auftrag.

Württembergische Staatstheater als Wahrzeichen des Landes

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Haus, das der inter­national anerkannten Staatsoper und dem weltweit bekannten Stuttgarter Ballett gewidmet ist, ist nicht nur ein Gebäudebe­stand, sondern ein Wahrzeichen dieses Landes. Wir haben ei­ne Verantwortung dafür. Zugleich ist es eine höchst innovative und lebendige Exzellenzeinrichtung, die international strahlt. Wir haben es gehört: Heute sind die Württembergi­schen Staatstheater mit rund 1400 Beschäftigten eines der größten Dreispartenhäuser der Welt, und es ist die größte Kul­tureinrichtung des Landes Baden-Württemberg und der Lan­deshauptstadt Stuttgart. Es ist, was die Akustik und die Bühnenwirkung angeht, noch immer von höchster Qualität, ebenso wie seine künstlerischen Ensembles. Ich weiß, dass viele von Ihnen hier aus eigener Anschauung bestätigen können auf was für einem herausragenden Niveau hier gespielt, getanzt, gesungen, musiziert und interpretiert wird.

Rund 430 000 Men­schen strömen jedes Jahr in die Vorstellungen der Staatsthea­ter; auch das sollte man bei Diskussionen wie dieser im Blick haben. Das ist keine kleine Gruppe, das sind viele. Und wer mal versucht, für das Stuttgarter Ballett Karten zu bekommen, der weiß, wie beliebt das Haus ist. Das gilt für alle Arten der Inszenierun­gen, nicht nur für John Cranko.

Für diesen Erfolg arbeiten – ich habe es vorhin schon gesagt – 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich Hand in Hand, gemeinsam mit künstlerischen Gästen aus aller Welt, um einzigartige Inszenierungen zu erschaffen. Sie machen das zum Teil unter Arbeitsbedingun­gen, die wir uns alle hier nicht wünschen. Sie kennen die Räu­me ohne Fenster, die alten Technikanlagen, die maroden Flu­re. Erst vor wenigen Wochen ist in der Herren-Sologarderobe der Fußboden in Teilen durchgebrochen.

Sanierung unumgänglich

Es gibt keine Zweifel: Diese Sanierung ist notwendig. Es muss klar sein: Jede weitere Verzögerung löst kein Prob­lem, sondern verschärft es. Diese Modernisierung und Erwei­terung ist nicht nur ein Projekt für unsere Generation. Es ist ein Vorhaben, das in die Zukunft ausstrahlt.

Liebe Damen und Herren, wir haben hier gestern ziemlich um­fassend über den Wirtschaftsstandort und den Anspruch, den wir haben, gesprochen. Ich teile übrigens die Bedenken und Sorgen ausdrücklich, genauso wie den Blick auf die Chancen, die wir hier aufgrund der hohen Forschungs- und Innovati­onskraft haben.

Aber ein Standort zeigt seine Exzellenz und Qualität auch darin, wie er mit Kunst und Kultur umgeht. Wenn wir den Anspruch aufgeben, dass die am weitesten strahlende Kultureinrichtung dieses Landes nicht auf bestem Niveau arbeiten kann, dann ist das kein gutes Signal und die­sem Land und seinen Potenzialen nicht angemessen.

Aus all diesen Gründen haben wir in den letzten Jahren in ei­nem geordneten und geregelten Verfahren im Verwaltungsrat, in dem alle Fraktionen, die hier vertreten sind, an einem Tisch sitzen, gemeinsam mit der Stadt Stuttgart intensiv und sehr sorgsam Sanierungs- und Erweiterungsbedarfsalternativen und -optionen geprüft, bis das jetzige Umsetzungskonzept stand. Bis heute liegt kein besserer, schnellerer, billigerer Vor­schlag vor als der, der vom Verwaltungsrat des Staatstheaters beschlossen worden ist. Auch heute habe ich nichts davon ge­hört.

Neubau keine Alternative

Natürlich ist nichts, was wir beschlossen haben, alternativlos, aber eine Alternative muss eine bessere Option eröffnen, sonst macht sie keinen Sinn.

Jetzt schauen wir uns die Alternativen, die heute genannt wor­den sind, an. Wir wissen momentan tatsächlich nicht, wie hoch die Kosten sind. 2 Milliarden € ist eine Schätzung aus der Presse. Ich kann dazu nichts sagen, weil ich nicht weiß, auf welcher Basis diese Schätzung erfolgt ist. Ich kann sie nicht bestätigen; man sollte mit dieser Zahl vorsichtig sein.

Es stimmt auch bei allen Verzögerungen und Schwierigkei­ten, die wir haben – und auch dazu komme ich nachher – nicht, dass der Start 2044 ist. Mein Zeitlauf sieht den Umzug für 2041 vor. Herr Rivoir (Landtagsabgeordneter von der SPD) hat den Vorschlag gemacht: Wir machen ein Moratorium und prüfen, wo geeig­nete Standorte in der Stadt sind und wie wir einen Neubau re­alisieren können, weil das am Ende günstiger und schneller wird.

Fangen wir mal an mit „schneller“: Wir haben 19 Standorte ernsthaft und intensiv auf das Potenzial geprüft, ob sie für ein Ausweichquartier oder einen Neubau zur Verfügung stehen würden. Wir haben uns das Thema Schule angeschaut, und wir haben uns auch andere Dinge angeschaut, jetzt über 15 Jahre. Ich habe nicht gesehen, dass die Stadt Stuttgart durch einen Bombeneinschlag plötzlich Grund und Boden bekom­men hätte, auf dem man neuerdings bauen könnte, wo man vor fünf Jahren noch nicht bauen konnte. Sie haben gesagt, seit fünf Jahren habe sich die Welt verändert. Ich sehe das hier nicht; es gibt diesen Grund und Boden nicht.

Wenn die Stadt Stuttgart entscheiden würde, dass sie das Kö­nigin-Katharina-Stift Gymnasium hier nebenan abreißen will, dann muss erst eine neue Schule gebaut werden. Also, wir bauen eine neue Schule, deren Standort wir noch nicht haben. Wir finden einen Standort für eine neue Schule, wir bauen ei­ne neue Schule, wir reißen eine Schule ab, und dann machen wir die Planung für den Bau hier, und dann realisieren wir hier einen Neubau. Wie das schneller gehen soll, muss mir jetzt noch jemand vorrechnen. Ich glaube, dass es nicht schneller geht. Es geht nicht schneller.

Stichwort „billiger“: Wir haben dann einen Neubau hingebaut, an dem nur noch die Oper spielt, und das Ballett spielt im Litt­mann-Bau. Das bedeutet, wir brauchen zwei Orchester: eines für die Oper und eines für das Ballett. Wir brauchen eine min­destens doppelt so große Ballettkompanie; denn das Ballett soll ja dann jeden Abend tanzen und nicht mehr nur in den Zeiten, die es bis jetzt hat. Das ist mit der Kompanie nicht zu machen. Wir brauchen zwei Teams für die gesamte Bühnen­technik, für die Garderoben, wir brauchen extra Werkstätten, wir haben höhere Energiekosten. Billiger wird ein Neubau, der parallel zum Littmann-Bau betrieben wird, der auch noch saniert werden muss – nicht vergessen: den müssen wir auch noch sanieren –, nicht. Also, billiger wird es mit einem Neubau nicht.

Man kann sagen, man möchte einen Neubau, weil man das besser findet und weil man sich das leisten kann, weil man die Zeit und das Geld hat. Aber man kann nicht sagen, ein Neu­bau würde schneller und billiger; denn das stimmt einfach nicht. Das heißt, man muss schon richtig argumentieren.

Es gibt keine Goldrandlösung

Dann höre ich seit zehn oder 15 Jahren bzw. seit es die Elb­philharmonie gibt, das Thema Elbphilharmonie. Ich sage Ih­nen einfach eines: In 20 Jahren werden Sie die Elbphilharmo­nie sanieren müssen. Und Sie werden auch einen Neubau im­mer wieder sanieren müssen. Wollen Sie jedes Mal, wenn Sie in Zukunft ein Gebäude sanieren müssen, ein neues bauen, weil sich das Sanieren nicht lohnt? Viel Spaß, kann ich Ihnen nur sagen; das funktioniert nicht. Wie gesagt, man kann für einen Neubau sein, weil man sagt, architektonisch sei das relevant, gut und wichtig, aber man kann nicht argumentieren, es ginge schneller, man kann auch nicht argumentieren, es würde billiger. Das bedeutet, die Staatsthea­ter in ihrer jetzigen Verfassung spielen und arbeiten noch län­ger unter den jetzigen Bedingungen.

Das Projekt, das wir jetzt machen, mit ausgelagerten Werk­stätten und mit einer deutlich in den Maßen reduzierten Aus­weichspielstätte im neuen Stadtquartier „Maker City“ der Stadt Stuttgart, ist kleiner als der Standort, und es ist ein deut­lich reduziertes Projekt. Es gibt keine Goldrandlösung; es gibt sie nicht.

Die Frage, wie wir hier am Standort sanieren – ob wir eine Kreuzbühne bauen oder nicht, ob wir den gastronomischen Teil neu machen oder nicht, ob wir das Kulissengebäude ab­reißen und neu machen –, ist noch nicht beantwortet. Es ist alles überhaupt noch nicht entschieden. Das heißt, es werden einfach Begriffe in den Raum geworfen, die nichts damit zu tun haben, bis hin zu blinden Bürgerbeteiligungsteilnehmern, die offensichtlich Vormeinungen gebildet haben. Ich finde, das ist schon eine Argumentationslinie, die ich schwer nachvoll­ziehen kann.

Großteil der Neubauten bleibt erhalten

Ich will hier noch einmal deutlich sagen, weil das auch nicht gestimmt hat: Die Kostenschätzung für die Sanierung lag vor, bevor die Bürgerbeteiligung stattgefunden hat, nicht danach. Ich glaube, es ist schon wichtig, sich klarzumachen, was die Grundlage ist.

All das bedeutet nicht, dass wir hier kein Problem hätten. Das will ich auch sagen. Die vier Jahre Verzögerung sind eine Schwierigkeit, und wir müssen damit umgehen. Wir haben bei der „Maker City“ der Stadt Stuttgart die Situation, dass 45 % der verfügbaren Flächen nach der Nutzung für Wohnraum vor­gesehen sind, 45 % für Gewerbe, dann geht es noch um sozi­ale Einrichtungen. Ein Großteil der Gebäude, die da jetzt ge­baut werden und teilweise von der Oper und dem Ballett ge­nutzt werden, nämlich 80 %, werden stehen bleiben. Alles Weitere kann man im Moment nicht sagen.

So, wie bis jetzt alles nach Plan gelaufen ist, sind auch die nächsten Schritte genau definiert. Aktuell muss das Land kei­nen Beschluss zum Bau fassen. Das Land hat die ersten Zah­lungsraten 2018/2019 für die Vorplanungen etatisiert. Die nächsten Entscheidungen stehen an, wenn die zweite Stufe – das bedeutet, die gründliche Planung – abgeschlossen ist und wir eine belastbare Kostenrechnung haben. Das bedeutet, das Land entscheidet Ende 2025 über die Werkstätten an der Zu­ckerfabrik, Ende 2026 über das Quartier am Rosenstein, die Wagenhallen, und 2030 über die Sanierung hier am Eckensee.

Alle Kalkulationen sind transparent und offen einsehbar, u. a. über den Einzelplan 06 – Finanzministerium. Dort ist die ProWST, seit sie Beteiligungsgesellschaft ist, verortet, und dort können Sie alle Mittel, die vorliegen, genau sehen.

Optimierungs- und Einsparpotentiale werden geprüft

Ich sage noch mal: Die vier Jahre Verzögerung sind schwie­rig. Auch ich kann sagen, dass mich das über Wochen hinweg sehr belastet hat. Ich denke auch, dass man nie sagen kann: „Augen zu und durch“, wie Herr Sturm das gesagt hat, und dass man auch nie sagen kann: „Es gibt keinen anderen Weg.“ Deswegen haben wir die ProWST beauftragt, bis zum Som­mer noch mal detailliert Optimierungs- und Einsparpotenzia­le zu prüfen und vorzulegen. Wir, das sind das Finanzminis­terium, die Stadt und das MWK. Das gilt für alle Teile des Projekts, auch für die Planung hier am Oberen Schlossgarten. Wir werden dies im Sommer ganz genau anschauen müssen, um zu prüfen, ob das sinnvoll ist.

Dass wir ein riesiges Projekt vor uns haben, wissen Sie. Dass dieses Land bauen und modernisieren kann, wissen Sie auch: das Kunstgebäude am Stuttgarter Schlossplatz, das Landes­museum, die John Cranko Schule, die Württembergische Lan­desbibliothek, das Badische Staatstheater ist gerade im Bau, die Kunsthalle Karlsruhe ist im Bau, die Badische Landesbi­bliothek wird jetzt in Angriff genommen und das Badische Landesmuseum. Sie sehen, dass wir für den Kulturbau sehr viel in Bewegung bringen.

Ich will vielleicht noch einmal historisch zurückblicken, lie­be Damen und Herren, auch wenn man sich das heute in der Situation, in der wir sind, nur schwer vorstellen kann. Aber zur Eröffnung des Littmann-Baus 1912 schrieb die „Berliner Presse“ voller Begeisterung: „Es ist eine Lust zu leben!“

Also, überlassen wir die Dramen und Komödien der Bühne, gehen wir, um sie zu erleben, ins Theater, in die Oper und ins Ballett. Erleben wir die positive Kraft, die damit zu tun hat, und machen wir hier gemeinsam unsere Arbeit, indem wir se­riös dieses Projekt prüfen, unterstützen, auf den Weg bringen und so umsetzen, dass es für uns, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, für das Publikum, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem guten Ende kommt.