Rede im Landtag am 5. November 2025

Rede der Ministerin zur Spitzenforschung im Dienste der Menschen

In einer aktuellen Debatte „Spitzenforschung im Dienste der Menschen – Hochschulmedizin aus BW als Motor für Innovation und Gesundheit“ wurde am 5. November 2025 im Landtag über medizinische Forschung und Wissenschaft gesprochen.

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Petra Olschowski

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wenn wir über Forschung sprechen – und insbesondere über die medizinische Forschung – dann sprechen wir über mehr als Labore, Geräte oder wissenschaftliche Erkenntnisse. Wir sprechen über den Mut, Neues zu denken. Über die Fähigkeit und den Willen, das Leben von Menschen zu verbessern. 

Forschung bedeutet Hoffnung – für Patientinnen und Patienten, die auf neue Therapien warten. Forschung bedeutet Sicherheit – für eine Gesellschaft, die sich gegen unzählige Krisen und Herausforderungen wappnen muss. Und Forschung bedeutet Wohlstand – weil sie Innovationen hervorbringt, neue Arbeitsplätze schafft und technologische Souveränität stärkt.

Wir sind uns hier vermutlich einig, dass der Erfolg Baden-Württembergs zu einem wichtigen auf seiner exzellenten Wissenschafts- und Forschungslandschaft beruht, sowohl staatlich wie auch privat finanziert, die mit einer Ausgabe von 5,7 % des BIP in Forschung und Innovation nicht nur europaweit einen Spitzenplatz einnimmt. Wir investieren viel, und das zahlt sich aus: Wir sind das bisher erfolgreichste Bundesland bei der Einwerbung von Exzellenzuniversitäten (bisher als einziges Land 4, davon werden wir Konstanz verlieren, aber hoffentlich Freiburg dazugewinnen.) 

Wir stehen auf Platz zwei im Förderatlas der DFG, bei den Exzellenzclustern, unsere Hochschulen sind deutschlandweit am erfolgreichsten bei der Einwerbung europäischer Forschungsfördergelder. Und wir haben 2025 zum dritten Mal in Folge drei Leibniz-Preisträger aus Baden-Württemberg! Und der gestern vorgestellte Demokratie-Monitor 2025 des Landes hat gezeigt: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist so groß wie in keinen anderen Bereich unserer Gesellschaft – größer als in Gerichte, Polizei und deutlich größer als in die Politik.

Einer unserer exzellenten Forschungsschwerpunkte in Baden-Württemberg ist die Medizin. Diese Spitzenpositionen spiegelt sich in den Erfolgen der Gesundheitswirtschaft wider. Sie ist hier mit 1.100 Unternehmen, die in Baden-Württemberg forschen, entwickeln und/oder herstellen, vertreten.  Diese erwirtschafteten im Jahr 2020 einen steuerbaren Umsatz in Höhe von 23,28 Mrd. Euro und beschäftigten 88.235 Mit-arbeitende. Baden-Württemberg ist mit 17,1 Mrd. Euro absoluter Bruttowertschöpfung der bedeutendste Standort der industriellen Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Im bundesweiten Vergleich sind die meisten Erwerbstätigen in dieser Branche in Baden-Württemberg beschäftigt. 

Ein weiterer entscheidender Baustein für unseren wirtschaftlichen Erfolg ist neben der starken Wissenschafts- und Forschungslandschaft- im Übrigen in der Fläche und nicht nur auf die urbanen Zentren konzentriert- die schutzrechtliche Sicherung von Forschungsergebnissen, also insbesondere die Patentierung. 

Laut einer aktuellen Studie des Europäischen Patentamtes zur Rolle europäischer öffentlicher Forschung bei Patentierung und Innovation befinden sich drei der aktivsten Forschungskrankenhäuser in Deutschland. Darunter zwei in Baden-Württemberg: 
Das Uniklinikum Heidelberg mit 420 und das Uniklinikum Freiburg mit 369 Patenten.  Das bedeutet, dass sie mit die meisten Patentanmeldungen in Europa haben. Und um übrigen liegt Heidelberg dabei vor der Charité in Berlin. Das zeigt: wir sind die Nummer 1 in Deutschland in diesem Bereich. Übrigens auch: einziges Land mit zwei Nationalen Centren für Tumorerkrankungen – auch das zeigt: wir sind spitze.

Ein besonderes Erfolgsbeispiel ist der Verkauf und die Weiterentwicklung des Patentes PSMA-617 zu einem Wirkstoff, der zwischenzeitlich für die Behandlung von metastasiertem Prostatakrebs zugelassen und unter dem Marktnamen Pluvicto® im Einsatz ist. Er wurde in jahrzehntelanger gemeinsamer Grundlagenforschung und Entwicklungsarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DKFZ, der Universität Heidelberg und des Uniklinikums Heidelberg entwickelt. 

Das Beispiel zeigt sehr eindrücklich zwei ganz wichtige Aspekte: Für Verwertungserfolge brauchen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zum einen meist einen sehr langen Atem, und sie müssen für die Patentierungskosten auch in finanzielle Vorleistung gehen. Zum anderen kann die einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Transfer sein. Dies war auch einer der Grundgedanken bei der Etablierung des Innovationscampus Health + Life Science Alliance Heidelberg Mannheim durch die Landesregierung. In diesem Verbund bündeln sieben führende Einrichtungen – universitär und außeruniversitär - in der Region ihre Expertise und ihre Stärken mit dem Ziel, noch mehr wissenschaftliche Erkenntnisse noch schneller in medizinische Anwendungen zu überführen.

Aber auch im Cyber Valley wird die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie im Bereich KI und Robotik sowie auch der Medizin gestärkt. So wurde unter anderem das Cyber Valley Health Network initiiert, in dem gemeinsame Initiativen im Bereich KI und Gesundheit/Medizin gefördert und gezielt Start-ups und Unternehmensinnovationen unterstützt werden.

Mit den Innovationscampus-Modellen fördern wir interdisziplinäre Zentren, in denen Hochschulen, Kliniken, Unternehmen und Start-ups gemeinsam an Lösungen arbeiten. Damit stärken wir sowohl den Transfer in die Industrie als auch die Umsetzung in medizinische Anwendungen und leisten einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung einer der Leitindustrien in Baden-Württemberg.

Patente sind ein wichtiges Signal – nach außen und nach innen. Sie zeigen, dass eine Forschungsidee technisch relevant und wirtschaftlich verwertbar ist. Für Hochschulen werden Patente damit zu einem strategischen Werkzeug im Transferprozess. Sie ermöglichen Lizenzierungen, Kooperationen mit der Industrie und tragen dazu bei, dass aus wissenschaftlichen Erkenntnissen marktfähige Innovationen werden.

Gerade im Bereich der Medizin ist das von besonderer Bedeutung. Hier entscheidet oft die Geschwindigkeit des Transfers darüber, ob eine Innovation rechtzeitig zu den Menschen gelangt. Die Patentierung ist dabei ein zentraler Schritt, um diesen Transfer gezielt zu gestalten. Um diese Prozesse zu stärken, hat das Land in den letzten Jahren gezielt Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Forschung, Transfer und Gründung miteinander verzahnen.

Neben den bereits erwähnten Innocampusmodellen, in denen wir den neben der Forschung auch den Transfer stärken, haben wir in den letzten Jahren die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um den Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung zu befördern. So ist der Wissens- Technologietransfer seit 2003 rechtliche Kernaufgabe der Hochschulen (neben Forschung und Lehre, 2 Abs. 5 LHG). Zusätzlich ist es den Hochschulen erlaubt, eigene Ausgründungsvorhaben z.B. durch den Zugang zu Laboren und Forschungsinfrastrukturen zu unterstützen (§ 2 Abs. 6 LHG) bzw. u.a. zum Zweck des Technologietransfers eigene Unternehmen zu gründen oder sich an diesen zu beteiligen (§ 13a LHG). 

Zur Stärkung des „Transfers über Köpfe“, wurde im Rahmen der letzten LHG-Novellierung die Möglichkeit geschaffen, Professorinnen und Professoren für Aufgaben im Wissens- und Technologietransfer für bis zu sechs Monaten freizustellen (sog „Transfersemester“, § 49 Abs. 6 LHG)“ Und mit der erfolgreichen Einwerbung der NXTGN Startup Factory – einem der bundeszweit zehn Gründungsleuchttürme – verbinden wir die gründungsstärksten Hochschulen in Baden-Württemberg zu einem wirkmächtigen Startup-Verbund an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft, zwischen Theorie und Praxis, zwischen Idee und Umsetzung. 

Ziel ist es, die Ideen aus der Forschung in wachstumsorientierte Ausgründungen zu überführen und diese mit den Bedarfen des hiesigen Mittelstands zusammenzubringen. Zusammen mit den sechs vom Land geförderten INSPIRE BW Hubs, die als dezentrale Unterstützungsstrukturen fungieren, wird so ein lebendiges Gründungs-Ökosystem, ein „Startup LÄND“, etabliert. 
Im Rahmen der Förderung verpflichtet sich der NXTGN-Verbund die vorhandenen Intellectual Property-Regelungen, sogenannte IP-Regelungen, der einzelnen Institutionen zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Dazu soll ein „IP-Baukasten“ mit Formulierungen für Standardverträge entwickelt und verpflichtend verwendet werden. 

Im Rahmen der NXTGN Startup Factory wird ein regelmäßiger Austausch zur Anwendung neuer Transfermodelle („IPforShares“ und „IPforvirtualShares“) initiiert und sich über Best practice Beispiele ausgetauscht. Diese Formate adressieren zunächst die Verbundhochschulen; stehen aber auch weiteren Hochschulen in BW offen. Mit gezielten Sensibilisierungs- und Informationsveranstaltungen sollen Professorinnen und Professoren über die Bedeutung von IP informiert werden. Auch diese Formate werden hochschulübergreifend organisiert.   

Sehr geehrte Damen und Herren, Forschung im Dienste der Menschen – das ist mehr als ein Leitsatz. Es ist ein Versprechen. Ein Versprechen, dass wir weiterhin erfolgreich Wissen in Wirkung verwandeln. Ein Versprechen, dass wir Forschung als Beitrag zur Lösung realer Probleme verstehen. Wir wollen mit unserer Forschungsförderung das Leben der Menschen verbessern. Und ein Versprechen, dass wir unsere Hochschulen und Universitäten weiter stärken – als Orte des Lernens, des Forschens und der Innovation. Genau dafür steht diese Landesregierung. Und unsere Arbeit im MWK.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.