An diesem Mittwoch ist erstmals die Kulturministerkonferenz der Länder zusammengetreten. „Es ist wichtig, dass die Länder eine gemeinsame Stimme finden für die Kultur und ihr damit auch mehr Sichtbarkeit verleihen“, sagte die baden-württembergische Kunstministerin Theresia Bauer heute (13. März) in Berlin.
Auf der Tagesordnung stand auch der Umgang mit dem kolonialen Erbe in Museen und Sammlungen. Gemeinsam mit den für Kultur zuständigen Staatsministerinnen des Bundes und den Kommunalen Spitzenverbänden verabschiedete die Kulturministerkonferenz Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. „Baden-Württemberg hat die ersten Schritte gemacht. Es ist Zeit, dass wir in Deutschland für unser koloniales Erbe gemeinsam die Verantwortung übernehmen und auch handeln“, betonte Bauer. Es sei gut, dass sich Länder, Bund und Kommunen gemeinsam auf erste Eckpunkte verständigt hätten – „damit setzen wir ein klares Zeichen“.
„Entschlossenheit und zügiges Handeln sind notwendig. Wir haben in Baden-Württemberg einen Anfang gemacht. Deutschland steht aber insgesamt noch am Beginn eines Prozesses, bei dem viel zu tun ist. Für Baden-Württemberg sage ich zu: Wir arbeiten Schritt für Schritt auf, was sich an Sammlungsgut aus kolonialen Zusammenhängen in unseren staatlichen Museen und Sammlungen befindet und machen die Ergebnisse online auch international zugänglich. Dabei suchen wir von Anfang an den Dialog mit den Herkunftsgesellschaften“, betonte Ministerin Bauer.
In eindeutig nachgewiesenen Fällen, in denen der Erwerb von Objekten in einem Unrechtskontext stattgefunden habe, sei Baden-Württemberg zur Rückführung bereit. Eine Rückgabe könne auch als vertrauensbildende Maßnahme eine positive Wirkung entfalten: „Die Rückgabe ist ein Signal, dass wir es ernst meinen. Die Anerkennung des Unrechts ermöglicht die Eröffnung des gemeinsamen Dialogs und bringt uns im Versöhnungsprozess voran. Diese Erfahrung haben wir mit der Ende Februar vollzogenen Rückgabe der Bibel und Peitsche Hendrik Witboois an Namibia gemacht, eines Kämpfers gegen den Kolonialismus und heutigen Nationalhelden“, so Bauer.
Die Ministerin hob folgende, für sie besonders bedeutende weitere Schritte hervor:
Transparenz & Dokumentation / Wissen teilen bei Objekt-Erforschung
„Transparenz ist unabdingbar: Dazu gehört die Dokumentation und Online-Präsentation des Sammlungsguts aus kolonialen Zusammenhängen. Erst ein solch globaler Zugang zu den Objekten, die in den Sammlungen vorhanden sind, eröffnet eine neue Reichweite für den Dialog. Wichtig ist die Möglichkeit, schon im Prozess der Aufarbeitung mit Experten der Herkunftsgesellschaften zusammenzuarbeiten, denn nur gemeinsam mit Vertretern der Herkunftsgesellschaften können wir die Objekte zum Sprechen bringen. So tut dies beispielsweise das Linden-Museum in Stuttgart, das mit finanzieller Unterstützung des Landes seine Sammlung systematisch dokumentiert und die Ergebnisse seiner Provenienzforschung in einer im Aufbau befindlichen Datenbank zugänglich macht“, erläuterte Bauer. Ziel müsse sein, einen virtuellen Zugang zu allen Objekten aus kolonialen Zusammenhängen zu eröffnen, die sich in deutschen Museen befinden – „dafür sind gemeinsame Standards und Prozesse zu erarbeiten.“
Nachholbedarf: Erinnerungskultur
„Wir haben erheblichen Nachholbedarf was die koloniale Vergangenheit angeht: Diese ist ein Teil deutscher Geschichte, der in der lebendigen Erinnerungskultur eine viel zu geringe Rolle spielt. Daher braucht es eine intensive Befassung. Unsere Kulturinstitutionen und Bildungsträger haben die Aufgabe, das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen – auch für die in der Kolonialzeit begangenen Verbrechen und ihre Folgen.“ Dazu gehöre auch der kritische Blick auf die Befassung mit der Kolonialzeit im Unterricht und in den Schulbüchern. „In einem Projekt unserer im Zusammenhang mit der Rückgabe der Witbooi-Kulturgüter gestarteten Namibia-Initiative geht es genau darum: Gemeinsam wollen Expertinnen und Experten der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Universität Freiburg mit der Universität von Namibia und dem National Institute for Educational Development in Okahandja neue Konzepte zur Lehrerbildung und Unterrichtsmaterialien für Schüler und Lehrer entwickeln“, sagte Bauer.
Herkunftsgesellschaften bei Restitution einbinden
Die Ministerin sprach sich dafür aus, auch die Herkunftsgesellschaften in Restitutionsverfahren einzubinden: „Der Staat ist immer der erste Ansprechpartner. Vor dem Hintergrund unserer ganz frischen Erfahrungen mit der Rückgabe der Bibel und Peitsche Hendrik Witboois an Namibia kann ich aber unterstreichen: Es muss unser Anliegen sein, bei der Rückgabe von Kulturgütern auch Vertreter der Herkunfts¬gesellschaften und – soweit Objekte einzelnen Personen zugeordnet werden können – betroffene Familien in das Verfahren einzubeziehen. So haben wir dies auch im Fall dieser ersten Rückgabe aus einem baden-württembergischen Museum gemacht.“
Weitere Informationen zum Umgang des Landes mit dem kolonialen Erbe und zur Namibia-Initiative: