Wie wirkt sich freier Eintritt in Dauerausstellungen von Museen auf die Besucherresonanz aus? Erreicht man damit neue Besuchergruppen? Ausgehend von diesen Fragestellungen hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine umfassende Evaluation von freiem Eintritt in Dauer- und ausgewählten Sonderausstellungen an fünf baden-württembergischen Landesmuseen in Auftrag gegeben. In ihrer Forschungsbreite und -tiefe ist die Studie in Deutschland bislang einzigartig.
„Das Thema kulturelle Teilhabe ist für die Landesregierung von großer Bedeutung. Eines unserer wichtigsten kulturpolitischen Anliegen ist: Wir wollen unsere Kultureinrichtungen für neue, auch junge Besucher und für Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen weiter öffnen. Die jetzt vorliegende Studie zeigt, dass der freie Eintritt kein pauschal geeignetes Mittel ist, um mehr Menschen anzusprechen“, sagte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski am Donnerstag (6. Juni) in Stuttgart bei der Vorstellung zentraler Ergebnisse der Studie. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Museumstypen.
Am Beispiel der Referenzmuseen wurden die Auswirkungen von freiem Eintritt in Dauer- und ausgewählten Sonderausstellungen untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass die Maßnahme nicht für alle Museen, Alters- und Besuchergruppen zielführend ist. „Es wird deutlich, dass die Erwartungen der Besucher an Ausstellungsprogramm, Vermittlung, Service oder Öffnungszeiten mindestens ebenso wichtig sind wie der freie Eintritt“, sagte Staatssekretärin Olschowski. An einigen der untersuchten Museen zeigt der freie Eintritt allerdings Wirkung. Dort werden vor allem junge Menschen von freiem Eintritt angesprochen und das Stammpublikum kommt häufiger.
„Unsere Museumslandschaft ist sehr vielfältig. Daher kann es keine einheitliche Lösung geben. Umso wichtiger ist es, dass die Museen die Erwartungen ihrer Besucherinnen und Besucher genau analysieren und dann geeignete Maßnahmen erarbeiten“, betonte Staatssekretärin Olschowski. Dafür gebe die Studie viele wertvolle Hinweise und Anregungen.
„Wir werden die Ergebnisse der Evaluation jetzt mit den Museen auswerten und verschiedene Instrumente prüfen. Klar ist aber schon jetzt: Das Thema Vermittlung, Teilhabe und kulturelle Bildung steht zurecht im Fokus. Hier sehen wir einen Auftrag. Wir setzen uns in den kommenden Haushaltsberatungen für eine Stärkung dieses Bereichs ein“, so Olschowski abschließend.
Zentrale Ergebnisse der Studie
Differenzierte Betrachtungsweise notwendig
Die Untersuchung zeigt, dass sich der freie Eintritt unterschiedlich auf die Besucherstruktur der jeweiligen Museen auswirkt. Als mögliches Instrument zur Öffnung der Museen ist der freie Eintritt damit stark differenziert zu betrachten. An einigen der untersuchten Museen gab es kurzfristig klare Effekte durch eine Steigerung der Besuchszahlen bei freien Eintrittsangeboten. Der freie Eintritt war hier auch ein häufig genannter Besuchsgrund, an anderen Museen war dies nicht eindeutig der Fall.
Nur teilweise neue Besucher
Neue Besuchergruppen durch freien Eintritt werden nur teilweise erreicht. Junge Menschen werden von freiem Eintritt angesprochen – bereits bestehendes Interesse am Museum und innovative Angebote vorausgesetzt. Nicht nachweisen lässt sich eine grundlegende Veränderung der Besucherstruktur. Personen mit formal niedrigeren Bildungsabschlüssen oder grundsätzlichem Desinteresse an Museen werden durch freien Museumseintritt kaum stärker erreicht. Außerdem muss unterschieden werden zwischen Besuchs- und Besucherzahlen: Wer regelmäßig ins Museum geht, kommt bei freiem Eintritt öfter - und wird ebenfalls gezählt.
Freier Eintritt ist nicht die größte Zugangsbarriere
Die Eintrittspreise werden in Bevölkerungsstudien von Nichtbesuchern zwar als Grund genannt, nicht ins Museum zu gehen, sind aber häufig zweitrangig bei der Entscheidung. Für einen Museumsbesuch ist nicht nur der Eintrittspreis, sondern es sind in hohem Maße andere Kriterien ausschlaggebend, beispielsweise attraktive Ausstellungen, zeitgemäße Vermittlungsangebote, besuchergerechte Öffnungszeiten, Erreichbarkeit des Museums oder das persönliche Zeitbudget der Besucherinnen und Besucher.
Deutliche Unterschiede zwischen kunst- bzw. kulturhistorischen und naturwissenschaftlichen Museen
Es gibt große Unterschiede zwischen kunst- bzw. kulturhistorischen und naturwissenschaftlichen Museen. Die Museumstypen unterscheiden sich in ihrer Besucherstruktur und damit auch in ihrer Einschätzung der Bedeutung von freiem Eintritt für die Öffnung ihrer Häuser. Dementsprechend unterschiedlich fallen die Einschätzungen aus, welche Maßnahmen für eine Öffnung besonders zielführend sind.
Fazit: Freier Eintritt allein reicht nicht für eine Museumsöffnung
Freier Eintritt führt durchaus zu einer Öffnung der Museen, allerdings effektiv nur in Verbindung mit anderen Maßnahmen, beispielsweise mit gezielten Vermittlungsprogrammen oder besucherorientierten Öffnungzeiten. Daher werden die Museen weiterhin selbst entscheiden, wie sie ihre Eintrittspreispolitik gestalten und ob sie freien Eintritt einführen.
Weitere Informationen:
Studie und Methodik
Mit der Untersuchung wurde die deutschlandweit tätige Agentur Kulturevaluation Wegner aus Karlsruhe beauftragt, die die Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Experten für Preisgestaltung, Dr. Tom Schößler, durchgeführt hat. Die Studie „Evaluation des freien Eintritts in Dauerausstellungen für die baden-württembergischen Landesmuseen“ ist in ihrer Forschungsbreite und -tiefe in Deutschland bislang einzigartig.
Die Agentur Kulturevaluation Wegner untersuchte unter Einbezug des aktuellen Forschungsstandes exemplarisch drei kunst- und kulturwissenschaftliche sowie zwei naturwissenschaftliche Landesmuseen:
- Landesmuseum Württemberg
- Staatsgalerie Stuttgart
- ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
- Staatliche Museum für Naturkunde Karlsruhe
- TECHNOSEUM Mannheim
Für die Studie wurde der Forschungsstand zum Thema umfassend analysiert. Verschiedene laufende Modelle wurden einbezogen, z.B. freier Eintritt in „Open Codes“ am ZKM oder in die Schausammlungen am Landesmuseum Württemberg und auch andere Modelle freien Eintritts, z.B. eintrittsfreie Tage oder freier Eintritt für bestimmte Besuchergruppen. 3500 Besucherinnen und Besucher der ausgewählten fünf Museen wurden befragt. Neben der Perspektive der Besucherinnen und Besucher wurden auch der Forschungsstand zu Nicht-Besucherinnen und Nicht-Besuchern sowie die Positionen der Museen zur Fragestellung untersucht.
Die Studie steht hier zur Verfügung: