Auf ihrer Antrittsreise durch die Länder hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Freitag (17. Dezember) als erstes Station in Baden-Württemberg gemacht.
Im Fokus eines ersten kulturpolitischen Austausches mit Kunstministerin Theresia Bauer und Staatssekretärin Petra Olschowski stand unter anderem Baden-Württembergs Pionierarbeit bei der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte staatlicher Sammlungen und bei der Erforschung der Provenienz von Objekten. Die Stippvisite eines Plattenladens stand ebenso auf dem Programm wie der Besuch der Wagner-Oper „Das Rheingold“ mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Nach einem Besuch der Ausstellung „Schwieriges Erbe- Linden-Museum und Württemberg im Kolonialismus“ sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Das Linden-Museum steht beispielhaft für den glaubwürdigen Umgang mit schwierigen Objekten aus den eigenen Sammlungen. Gerade im Hinblick auf die Benin-Bronzen müssen wir bei den Rückgaben jetzt richtig vorankommen. Wichtig ist, dass in allen deutschen Museen eine echte Dekolonisierung des Denkens stattfindet. Das betrifft sowohl den Umgang mit den eigenen Sammlungen als auch die Frage, wie sich unsere Museen im öffentlichen Raum und in gesellschaftlichen Debatten präsentieren. Dafür ist ein starkes, kooperatives Zusammenspiel der Museumsträger in Bund, Ländern und Kommunen ganz entscheidend.“
Baden-Württembergs Kunstministerin Theresia Bauer versicherte: „Wir werden weiterhin nachdrücklich Verantwortung für die Aufarbeitung des Kolonialismus und seiner Auswirkungen bis in die Gegenwart übernehmen.“ Baden-Württemberg hat mit einer Entscheidung der Landesregierung im Juli 2021 als erstes Land den Weg frei gemacht für Rückgaben von Benin-Bronzen an Nigeria. Das Linden-Museum hat seine Benin-Bestände in seiner Sammlung Digital bereits umfassend transparent gemacht. Die Landesregierung setzt damit zügig die in der Benin-Erklärung getroffene Verabredung zum Umgang mit Benin-Bronzen in deutschen Museen um. „Aufgrund dieses historischen Kontextes von Raub, Gewalt und Unrecht spreche ich mich grundsätzlich für die Restitution aller Benin-Objekte an Nigeria aus“, sagte Theresia Bauer. „Ich verbinde damit den Wunsch nach einem engen kulturellen Austausch und dass auch weiterhin Benin-Objekte in Museen wie dem Linden-Museum dauerhaft gezeigt werden können.“
Zu den Themen des Austausches zählte neben dem Engagement der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg für eine klima- und ressourcenschonendere Film- und TV-Produktion auch Baden-Württembergs Klimadialog „Green Culture“ für mehr Klimaschutz in den Kunst- und Kultureinrichtungen.
Green Shooting und Green Culture
Seit 2015 hat die MFG Baden-Württemberg im Arbeitskreis „Green Shooting“ wesentliche Teile der deutschen Film-, TV- und VoD-Branche für ein breites Nachhaltigkeitsbündnis gewonnen. Zahlreiche Produktionsfirmen, Sender und VoD-Dienste verpflichten sich zur Einhaltung von ökologischen Mindeststandards. Bei der MFG müssen künftig alle Anträge auf Produktionsförderung eine Zusage zur Einhaltung dieser ökologischen Mindeststandards enthalten. Die ökologischen Mindeststandards umfassen alle Bereiche der Produktion: Umstellung auf LED-Scheinwerfer, mehr Bahnfahrten, umweltfreundliche Fahrzeuge, vegetarisches Essen, Verzicht auf Dieselgeneratoren, Kurzstreckenflüge, Einweggeschirr etc.
„Wir wollen damit auch ein starkes Signal für andere Kulturbereiche setzen“, sagte Staatssekretärin Petra Olschowski. „Green Culture“ heißt der Dialogprozess, den sie angestoßen hat. „Die Klimakrise ist das drängendste Thema unserer Zeit. Daher werden auch die Kunst- und Kultureinrichtungen des Landes hier Verantwortung übernehmen und Maßnahmen entwickeln, um die Klimaneutralität des Kulturbereichs mit zu ermöglichen.“ Es gehe darum, Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei allen betriebsökologischen Prozessen mitzudenken, die in den Kultureinrichtungen ablaufen. „Dabei geht es nicht um Einwirkungen auf die Inhalte und Methoden von Kunst und Kultur, sondern um klimagerechte Produktionsbedingungen. Klimaschutz und Kunstfreiheit dürfen kein Widerspruch sein.“
Linden-Museum Stuttgart
Im Bestand des Linden-Museums befinden sich 78 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin, darunter 64 Benin-Bronzen. Auch wenn die Provenienz dieser Objekte nicht in allen Fällen vollumfänglich aufklärbar ist, muss davon ausgegangen werden, dass diese zumindest weit überwiegend im Jahr 1897 während einer brutalen britischen Strafexpedition aus dem Palast des Königshauses Benin, dessen Gebiet heute in Nigeria liegt, geplündert und anschließend zur Refinanzierung der Militäraktion versteigert wurden. Das Linden-Museum hat den größten Teil seiner Benin-Objekte bereits 1899 in Berlin erworben.
Benin-Bronzen
Benin-Bronzen finden sich nicht nur im Bestand des Linden-Museums, sondern – teilweise in deutlich höherer Zahl – auch in anderen deutschen und europäischen Sammlungen. Bereits 2010 wurde daher die Benin Dialogue Group gegründet, in der Museen aus Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und Schweden mit nigerianischen Partnern und Vertretern des Königshauses von Benin mit dem Ziel zusammenarbeiten, Transparenz herzustellen und eine einvernehmliche Lösung zum Umgang mit diesen Objekten zu finden.
Fotos in der Mediathek zum Download