Wissenschaftsministerin Theresia Bauer: Aufbau eines Instituts für Psychotherapie in Dohuk soll Beitrag leisten, den Weg zur Selbsthilfe zu ebnen - Gräueltaten lassen sich nicht vergessen, aber Leid darf nicht zu Gift werden
Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Nach schneller und unkomplizierter Soforthilfe durch Sonderprogramm wird die Landesregierung nun auch Unterstützungsmaßnahmen vor Ort ergreifen, um Folgen des Krieges zu mildern und Fluchtursachen zu bekämpfen
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat am Freitag die Jesidin Nadia Murad in New York im Beisein internationaler Regierungsvertreter zur UN Sonderbotschafterin ernannt. Murad war den Schergen des IS entkommen, nachdem nahezu ihre gesamte Familie ausgelöscht wurde. Sie wurde im vergangenen Jahr in das baden-württembergische Sonderprogramm für schutzbedürftige und traumatisierte Frauen und Kinder aufgenommen und in Sicherheit gebracht.
„Wir haben schnell und unkompliziert Hilfe geleistet, wo es am nötigsten war“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Auszeichnung Murads sei nicht zuletzt auch als internationale Würdigung des baden-württembergischen Programms zu verstehen. Dies habe auch Murads Anwältin, Amal Clooney, in New York gegenüber Wissenschaftsministerin Bauer nochmals betont. „In einem zweiten Schritt geht es nun darum, langfristig Hilfe zu leisten“, so Kretschmann.
„Für uns war von Anfang klar, dass es mit der Aufnahme von Notfällen nicht getan ist, sondern dass wir auch die Situation der Inlandsflüchtlinge im Irak verbessern wollen“, unterstrich der Ministerpräsident. Baden-Württemberg verfolge dabei mehrere Projekte, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und Fluchtursachen zu mindern.
Unter der Federführung des Wissenschaftsministeriums wird das Land gemeinsam mit der Universität Dohuk ein Institut für Psychotherapie im Nordirak aufbauen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer: „Wir wissen, dass Kriegstraumata sogar generationenübergreifend wirken. Deshalb ist es wichtig, qualifizierte Fachkräfte auszubilden, die in der Lage sind, das psychische Leid der Menschen zu lindern. Leid darf nicht zu Gift werden.“
Das Land wird zunächst eine Million Euro für das Institut bereitstellen. Hinzu kommen rund 320.000 Euro, die als Stipendiengelder für Studierende bereitgestellt werden. Gleichzeitig ist es das Ziel, weitere interessierte Partner einzubinden.
Die Ausbildung ist als Masterstudiengang angesetzt und dauert drei Jahre. Sie richtet sich an Menschen mit akademischer Vorbildung: Ärzte, Krankenschwestern, Pflegekräfte oder Lehrer. Der Aufbau der Studiengänge erfolgt nach Übereinkommen mit der kurdischen Regionalregierung in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen, der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und der Universität Dohuk. Die ersten Studierenden sollen Anfang 2017 beginnen können. Spätere Einsatzorte werden Flüchtlingscamps, Krankenhäuser und Sozialstationen sein.
Ein Schwerpunkt soll in der interkulturellen Kompetenz der therapeutischen Ausbildung liegen. Therapien müssen auch den soziokulturellen und kulturhistorischen Kontext der traumatisierten Person berücksichtigen, um wirksam zu sein. Deshalb werden Studierende sowohl in Dohuk als auch in Baden-Württemberg lernen, Fachkräfte aus Deutschland werden in Dohuk arbeiten und ausbilden. Ein Teil der Studierenden soll außerdem durch ein Train-The-Trainer-Konzept befähigt werden, selbst Fachkräfte auszubilden.
„Ein weiterer Aspekt unseres Engagements im Nordirak ist ein bereits begonnenes Projekt mit der Bundesentwicklungsagentur GIZ zur Müllentsorgung und damit zum Schutz vor Seuchen sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den Flüchtlingslagern. Damit haben wir schnell auf Cholerafälle reagiert“, sagte Kretschmann. Weitere humanitäre Projekte gemeinsam mit der Landesentwicklungsgesellschaft SEZ und einheimischen Partnern seien in Planung und sollen bis zum Jahresende ausgewählt sein. Insgesamt habe das Land für die Partnerschaft mit der Region Dohuk drei Millionen Euro bereitgestellt, so der Ministerpräsident.