KUNST UND KULTUR

Bundesweite Umfrage zu menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten

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Rückgabe sterblicher Überreste der Maori an die Neuseeländischen Nachfahren im Lindenmuseum

Die Spuren der kolonialen Vergangenheit sind auch heute noch vielfach in Deutschland zu finden – bis hinein in die Sammlungen von Universitäten und Museen. Eine deutschlandweite Umfrage bietet nun erstmals eine Übersicht über menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten in Museen und universitären Sammlungen. Durchgeführt wurde die Umfrage von der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland im Auftrag von Bund, Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden.

Auch Baden-Württemberg, das bereits 2019 als erstes Bundesland eine systematische Befragung in allen musealen und wissenschaftlichen Landeseinrichtungen durchgeführt hat, hat sich beteiligt. Das Land hat in den vergangenen Jahren in feierlichen Zeremonien mehrere Rückgaben an Staaten und Herkunftsgesellschaften durchgeführt, in diesem Jahr an Hawai´i und Neuseeland, zuvor an Australien (2019) und Namibia (2014).

Von besonderer Bedeutung bei der aktuellen bundesweiten Umfrage sind die Sammlungen der Universitäten Freiburg und Tübingen, der staatlichen Naturkundemuseen in Karlsruhe und Stuttgart sowie des ethnologischen Linden-Museums Stuttgart. In diesen Einrichtungen werden noch mindestens 2.000 menschliche Überreste aufbewahrt, darunter Schädel, vollständige Skelette oder Teile davon und Haarproben. Insgesamt befinden sich in den bundesweit befragten 33 Einrichtungen circa 17.000 menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten.

„Es ist Baden-Württemberg ein wichtiges Anliegen, die immer noch zahlreichen menschlichen Überreste, die ohne Zustimmung der Angehörigen oder gar gewaltsam aus den ehemaligen Kolonialgebieten entwendet wurden, zurückzugeben, damit sie in den Herkunftsländern ihre letzte Ruhe finden können. Die Frage, wie mit menschlichen Gebeinen in deutschen Museums- und Universitätssammlungen umzugehen ist, stellt sich für alle Träger einschlägiger Sammlungen. Es ist gut, dass Länder, Bund und Kommunen diese Frage als gemeinsame Aufgabe begreifen“, sagte Wissenschafts- und Kunstministerin Petra Olschowski am Freitag (29. Dezember) in Stuttgart.

Die menschlichen Überreste in den baden-württembergischen Museen und Universitätssammlungen stammen zumeist aus afrikanischen Ländern, aber auch aus Ländern in Amerika, in Asien und Ozeanien. Die genaue Herkunft ist in vielen Fällen – ebenso wie in den anderen bundesweit befragten Einrichtungen – unbekannt.

„Die große Herausforderung ist, dass wir nicht wissen, woher die menschlichen Überreste kommen. Hinzu kommt, dass nicht klar ist, an wen wir zurückgeben müssten. Das stellt uns vor eine große Aufgabe, die wir nur gemeinsam meistern können: Wir brauchen das Wissen und die Perspektiven aus den Herkunftsländern, den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Nachfahren, den Institutionen und den Expertinnen und Experten“, so die Ministerin weiter. „Wir sind bereits in guten Gesprächen. Die Erfahrungen, die wir in den bisherigen Rückgaben gewinnen konnten, helfen uns und unseren Einrichtungen.“

Im engen Dialog mit den Museen und Universitätssammlungen und unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten aus den Herkunftsstaaten und der Diaspora werden Bund und Länder die nächsten Schritte gemeinsam gehen: die Provenienzforschung weiter vorantreiben und größtmögliche Transparenz gegenüber den Herkunftsgesellschaften schaffen.

Entwickelt werden sollen generelle ethische Standards für die angemessene Unterbringung der menschlichen Überreste in den Sammlungen. Auch die Frage, wie mit menschlichen Gebeinen umzugehen ist, deren Herkunft mit heutigen Mitteln nicht ermittelt werden kann, werden Länder, Bund und Kommunen im gemeinsamen Austausch klären. Die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bei der Kulturstiftung der Länder entwickelt derzeit ein Konzept für die schrittweise Bearbeitung dieser Fragen.

„Wir werden diese große Aufgabe in den kommenden Jahren gemeinsam mit unseren Einrichtungen voranbringen und damit unserer historischen Verantwortung für die Kolonialzeit so gut wie möglich nachkommen“, betonte die Ministerin.

Weitere Informationen:

Folgende Forschungsprojekte widmen sich der Herkunftserforschung menschlicher Überreste in baden-württembergischen Landeseinrichtungen:

Pressemitteilung als PDF

Anlage: Ergebnisse Umfrage