„Biozement“ herstellen aus Abwasser, bei der Aufbereitung Energie produzieren statt verbrauchen oder erneuerbare Energien zwischenspeichern – all das ermöglichen Mikroorganismen ohne zusätzliche Emissionen. Solche hochinnovativen und für den Klimaschutz überaus vielversprechenden Ansätze unterstützt das Land und fördert ab März 2024 neun Forschungsprojekte, die mithilfe von Mikroorganismen klimafreundliche Verfahren entwickeln, optimieren und in die produktionstechnische Umsetzung bringen. Insgesamt stellt das Wissenschaftsministerium rund 13,5 Millionen Euro zur Verfügung.
„Diese Forschungsprojekte können einen bedeutsamen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem sie uns Wege aufzeigen, wie wir Treibhausgase reduzieren können. Ich bin davon überzeugt, dass die innovativen Ansätze hohe Wirkung entfalten werden“, sagte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski am Freitag (9. Februar) in Stuttgart. „Unsere neueste Förderlinie hat eindrücklich das Potenzial und die Innovationskraft unserer Forscherinnen und Forscher im Bereich der klimafreundlichen Technologien gezeigt. Wir brauchen solche innovativen Ansätze dringend, denn der Klimawandel und seine Auswirkungen schreiten immer schneller voran.“
Projekte mit neuartigen Forschungsansätzen
Das Wissenschaftsministerium fördert sogenannte „Blue Sky“-Projektvorhaben. Diese basieren auf neuartigen Forschungsansätzen mit hohem wissenschaftlich-technischem Erfolgs- und Entwicklungsrisiko wie auch -gewinn („High-Risk, High-Gain“), weshalb sie häufig nicht finanziert werden. „Wir gehen als Land ins Risiko, weil wir überzeugt sind, dass Forschung in neue Bereiche vorstoßen muss“, betonte die Ministerin.
Förderlinie mit rund 13,5 Millionen Euro ausgestattet
Die neun Projektvorhaben haben sich in einem starken Bewerberfeld durchgesetzt und wurden durch ein externes wissenschaftliches Begutachtungsgremium für die erste einjährige Förderphase ausgewählt. Für diese erste Phase stehen rund zwei Millionen Euro zur Verfügung. Nun müssen die Forscherinnen und Forscher zeigen, ob und inwieweit ihre „High Risk, High Gain“- Projektideen umsetzbar sind. Am Ende der ersten Förderphase erfolgt eine zweite Begutachtung, die über eine anschließende Projektlaufzeit von drei Jahren entscheiden wird.
Insgesamt stellt das Land für die Förderlinie „Mikroorganismen als Helfer im Klimaschutz – mit innovativen Verfahren mikrobielle Prozesse für eine klimaneutrale Zukunft nutzen“ für vier Jahre rund 13,5 Millionen Euro bereit.
Geförderte Forschungsverbünde:
- Universität Stuttgart: „Simultane Biozement- und Düngemittelherstellung aus Abwasser (SimBioZe)“
Entwickelt werden soll eine neuartige Wertschöpfungskette „Abwasser-Biozement-Düngemittel“. Dabei wird aus dem kommunalen Abwasser Urin gewonnen und daraus mittels mikrobieller Prozesse „Biozement“ hergestellt. Zukünftig können die während der Herstellung entstehenden Wertstoffe für die Erzeugung von Düngemitteln genutzt werden. Die auf dieser Weise entstehenden Produkte sind deutlich nachhaltiger.
- Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Universität Hohenheim: „Machbarkeitsstudie zu einem elektrochemisch/biologischem Hybridreaktor für die Konversion von CO2 zu „(Bio)Produkten (z.B. Biotenside)“ über Acetat als Zwischenprodukt (Carboside)“
Im Rahmen des Projekts soll gezeigt werden, dass aus CO2 synthetisierte Grundstoffe direkt in höherwertige Bioprodukte, wie z. B. Biotenside, umgewandelt werden können. Hierdurch wird der Verbrauch fossiler Rohstoffe vermieden und durch die Nutzung erneuerbarer Energien CO2 als Kohlenstoffquelle für Mikroorganismen erschlossen.
- Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Universität Stuttgart: „Robuste, autarke und dezentrale bioelektrochemische Produktion von Spezialpolymeren aus CO2 (CO2biopoly)“
Das Projekt adressiert Biogasanlagen als punktuelle Quellen von Treibhausgasen. Das CO2 aus der Biogasanlage wird zunächst elektrochemisch zu Methanol reduziert und anschließend mikrobiell zu Basis- und Spezialchemikalien umgesetzt. Dieses kombinierte Verfahren bietet die Möglichkeit, gleichzeitig die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre zu reduzieren und einen wichtigen Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Rohstoffimporten zu vollziehen.
- Universitäten Stuttgart und Ulm: „Mischkunststoffe: vom Problemfall zur Problemlösung durch Inwertsetzung mit Mikroorganismen (MiMiWin)“
Das Projekt zielt darauf ab, mikrobielle Stoffwechselleistungen einzusetzen, um aus Problemmüll wertvolle Produkte herzustellen. Die häufig im Haus- und Industrieabfall zu findenden schwer recycelbaren Mischkunststoffe sollen durch ein innovatives Vergasungsverfahren in ihre Bestandteile zerlegt und durch Mikroorganismen zu Wertstoffen umgesetzt werden. Die Mikroorganismen werden dabei sowohl in räumlich getrennten Mono-Kulturen wie auch vergesellschaftet getestet, die Bioprozesse ausgelegt und modelliert.
- Universitäten Tübingen und Stuttgart: „Magnetite biogeobatteries as (eco-) engineering systems for wastewater treatment, recovery of phosphate and energy production“
In diesem Projekt soll der Einsatz von Magnetit-Mineralpartikeln in der biologischen Abwasserbehandlung erforscht werden. In dem Prozess wird gleichzeitig Ammonium entfernt, Phosphat wiedergewonnen und Methan erzeugt. Das Ziel ist, eine umweltfreundliche und nachhaltige Lösung anzubieten, wodurch wertvolle Ressourcen zurückgewonnen und Energie erzeugt wird. Die dabei entstehenden CO2-Emissionen können reduziert und die Emission in die Atmosphäre verringert werden. Das innovative Abwasserreinigungssystem hat daher das Potenzial, zum Schutz des Klimas beizutragen.
Geförderte Einzelvorhaben:
- Karlsruher Institut für Technologie (KIT): „An Innovative solution for carbon neutrality of wastewater treatment: integrated microbial fuel cell (MFC) - microbial electrolysis cell (MEC) for anaerobic sewage treatment (IMMAS)”
Die derzeitigen Verfahren zur Abwasserreinigung verursachen einen hohen Energiebedarf und damit CO2-Fußabdruck. Das Projekt zielt darauf ab, die Machbarkeit einer mikrobiellen Brennstoffzelle zur Kohlenstoffentfernung in Kombination mit einer mikrobiellen Elektrolysezelle zur Stickstoffentfernung zu untersuchen. Diese Technik ermöglicht eine klimaneutrale und energiesparende Abwasserbehandlung unter Rückgewinnung von Wasser und H2.
- Universität Tübingen: „Valorization of Emissions: Recovery of Carbon Dioxide from the Cement Industry (ValorizE CO2)”
Im ValorizE CO2-Projekt werden neuartige Biokatalysatoren eingesetzt, um erneuerbare Energien für eine spätere Nutzung zu speichern. Dabei wird die geografische Diskrepanz zwischen der Verfügbarkeit von CO2 und erneuerbaren Energien überbrückt. Vorrangiges Ziel ist es, diese Technologie im großen Maßstab in der Zementindustrie einsetzen zu können.
- Karlsruher Institut für Technologie (KIT): „Skalierbarkeit von Gasfermentationsprozessen in Membranbiofilmreaktoren“
Ziel ist, aus CO2 höherwertige Chemikalien herzustellen. Dabei kommen Mikroorganismen zum Einsatz. Als Modellprozess dient die Biogasaufreinigung: Mikroorganismen bilden aus Wasserstoff und CO2 zunächst einmal Methan. Anschließend soll die Effizienz von Reinkulturfermentationen zur Produktion von (C4-) Plattformchemikalien aus Wasserstoff und CO2 durch Mikroorganismen gezeigt werden.
- Universität Stuttgart: „Bioakkumulation durch Ciliaten als neuartiges mikrobielles Verfahren für Aufbereitungsprozesse“
Einige einzellige Organismen besitzen die Fähigkeit, strategisch relevante Elemente aktiv anzureichern und partikulär abzuscheiden. Dazu zählt die Anreicherung (=Bioakkumulation) durch Wimpertierchen (Ciliaten), die in diesem Projekt als neuartiges mikrobielles Verfahren für Aufbereitungsprozesse im Bereich der Ver- und Entsorgung untersucht wird.