In einem vierteiligen Dialogprozess unter dem Stichwort POPLÄND diskutierte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst von Mai 2023 bis Mai 2024 gemeinsam mit Akteurinnen und Akteuren der Popkultur über Bedarfe, Potentiale und Herausforderungen der Branche. Im Fokus stand dabei die Popmusik als eine besondere Stärke des Landes.
Wichtiges kulturpolitisches Vorhaben der Legislatur
Die stärkere Öffnung der Kulturpolitik für ein breites Publikum und die bessere Berücksichtigung junger Perspektiven sind ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. Daher wurde im Koalitionsvertrag u. a. ein stärkeres Engagement im Bereich der populären Kultur vereinbart.
Um die Bedarfe, Potenziale und Herausforderungen der Popkultur im Land zu identifizieren, führten Staatssekretär Arne Braun und das Kunstministerium einen einjährigen partizipativen Strategieprozess durch. An den vier Konferenzen in den vier Regierungsbezirken des Landes nahmen von Mai 2023 bis Mai 2024 mehr als 400 Musikerinnen und Musiker, Popszene, Kulturpolitik, Kulturverwaltung und Kulturinstitutionen, Veranstalterinnen und Veranstalter und Kulturfördernde teil.
Feierlicher Auftakt in Kooperation mit der Popakademie am 10. Mai 2023
Der Startschuss für POPLÄND wurde musikalisch am 10. Mai 2023 in Mannheim gesetzt. Im Anschluss an die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen der Popakademie öffnete Staatssekretär Arne Braun ab 20 Uhr die Türen der Alten Feuerwache für alle Popinteressierten: Es traten Bands der Popakademie auf, wie u.a. Konstantin Gropper (Get Well Soon), Alex Mayr, Die Schlagzeugmafia, ok.danke.tschüss und weitere.
Erste Dialog-Veranstaltung am 11. Mai 2023
Am 11. Mai 2023 wurde POPLÄND in Dialogform fortgesetzt. Vorträge von Prof. Dr. Barbara Hornberger (Bergische Universität Wuppertal) und Prof. Dr. Marcus Kleiner (SRH University of Applied Sciences Berlin) regten an, über Pop und die Zukunft der Popmusik neu und anders nachzudenken. Am Nachmittag vertieften die Teilnehmenden dann den Austausch in verschiedenen Arbeitsforen. Schwerpunktthemen waren Identifikation durch Pop, KI und die Zukunft des Pop sowie Räume für die Popkultur.
Impulse kamen von Engin Devekiran (Sänger und Gitarrist von ENGIN, Mannheim), Diana Ezerex (Sängerin, Karlsruhe), Julia „Jules“ Nagele (Sängerin „listentojules“, Mannheim), Luca Opifanti (Sänger von ANTIHELD, Stuttgart), Prof. Dr. Barbara (Bergische Universität Wuppertal), Prof. Dr. Marcus Kleiner (SRH University of Applied Sciences Berlin), Prof. Dr. Alexander Endress (Professor und Studiengangsleiter B.A. „Musikbusiness“, Leiter Digitales Kompetenzzentrum SMIX.LAB, Popakademie Baden-Württemberg), David Stammer (Project Manager Digital Innovation und Verantwortlicher Future Music Camp, Popakademie Baden-Württemberg), Jovanka von Wilsdorf (KI-Musik-Beraterin, Musikerin, Coach, Berlin).
Den musikalischen Rahmen setzten die Mannheimer Band ENGIN am Vormittag und James Holden aus London am Abend in der Alten Feuerwache.
Der zweite POPLÄND-Dialog fand am 30. November 2023 in Freiburg statt. Im dortigen Kulturpark-Areal wurde in drei großen Arbeitsforen über die Themen Nachhaltigkeit & Green Culture, Awareness & Safer Nightlife sowie Diversität & Machtstrukturen diskutiert. Ziel war sowohl der Erfahrungs- und Wissensaustausch untereinander als auch die Sammlung von konkreten Handlungsempfehlungen an die Popkultur und die Kulturpolitik des Landes.
Impulse aus der Praxis gaben Felix Grädler (Geschäftsführer halle02 in Heidelberg, Green Culture Index BW, Vorstand LiveKomm), Kristina Mühlbach (Nachtkulturbeauftragte im Kulturamt Freiburg), Jamila Al-Yousef (Sängerin, Kulturwissenschaftlerin, Festivalkuratorin und Antirassismus-/Empowermenttrainerin), Ella Stracciatella (DJ und Gründerin LocArtista Freiburg), Zora Brändle (Nachhaltigkeitsexpertin und 2. Vorsitzende von Clubkultur Baden-Württemberg e.V.), Kenny Joyner (Sänger der Band FATCAT), Julia Lauber und Felix Birsner (Duo WILLLMAN) und Lea Dorn (Landeskampagne „nachtsam. Mit Sicherheit besser feiern“).
Musikalische Highlights gab es am Vormittag mit dem Electropop-Duo WILLMAN und am Abend im Slow Club beim Konzert der deutsch-französischen Rapperin Suza & jungen Nachwuchskolleginnen.
Die dritte Konferenz in Reutlingen am 29. Februar 2024 gab erneut Gelegenheit zum Austausch über die Situation der Popmusik und Popkultur in Baden-Württemberg.
Im Kulturzentrum franz.K wurde in Arbeitsforen über die Herausforderungen in den drei großen Handlungsfeldern diskutiert: Pop MACHEN (Was braucht die Kunst?) – Pop VERANSTALTEN (Festivals, Clubs, Live-Spielstätten stärken) – Pop FÖRDERN (Netzwerkstrukturen & Ansprechpartner). Ein besonderes Augenmerk lag auf den Bedarfen von Pop in LÄNDLICHEN RÄUMEN, den Chancen und Herausforderungen jenseits der urbanen Zentren.
Impulse gaben Christian „Crada“ Kalla (Grammy-nominierter Musikproduzent für Drake, Alicia Keys, Kendrick Lamar, Sido, Tim Bendzko, Rea Garvey, Kool Savas uvm., Gewinner des deutschen Musikautor:innenpreises der GEMA in der Kategorie HipHop 2019, Gründer und Geschäftsführer des Independent Musiklabels und -verlags PLYGRND), Nils Max (Projektleiter Regionet an der Popakademie BW und Vorstandsmitglied von pop.bw), Eva Sauter (Singer-Songwriterin), Christa Dziallas (Bundesverband für Popularmusik, Projektleiterin „Pop To Go“), Chriss Fakler (Kulturhalle Abdera in Biberach), Maximiliane Vilser (Verband für Popkultur in Bayern, Projekt „Pop in ländlichen Räumen“), Eva Weissmüller (Geschäftsführerin Landesmusikverband und Landesmusikjugend BW) und Michael Wielath (Popbüro Oberschwaben-Bodensee).
Für ein musikalisches Highlight sorgte am Vormittag Eva Sauter, Tübingerin und Frontfrau der Band okay.danke.tschüss.
Am 17. Mai 2024 fand das Finale des Dialogprozesses zur Popkultur in Baden-Württemberg in Stuttgart statt. Unter der Überschrift POPLÄND 4 x About Pop kooperierte das Kunstministerium dazu mit der Festival-Convention About Pop, die seit 2019 jährlich und 2024 erstmals an zwei Tagen vom Pop-Büro Region Stuttgart veranstaltet wurde. Als popkultureller Leuchtturm Baden-Württembergs bringt die ABOUT POP Akteurinnen und Popliebhaber zusammen und bietet neben guter Musik vor allem eine wichtige Plattform für Austausch und Networking zu den Themen Popkultur, Musikwirtschaft, Jugendkultur und Nachtleben.
Auf dem Wizemann-Areal diskutierten im Rahmen von POPLÄND 4 Branchenakteurinnen und -akteuren mit Popkulturinteressierten u .a. über Best Practice-Ansätze der Popförderung zwischen öffentlicher Hand und Musikwirtschaft, das Radio als neuer alter Liebe, Pop & KI bzw. KI-Regulierung sowie über das Potential von Crossover-Kooperationen zwischen Pop und klassischer Kultur.
Impulse gaben u. a. Celina Bostic (Musikerin), Fola Dada (Musikerin), Diana Ezerex (Musikerin), Melanie Greulich, (Popakademie Baden-Württemberg), René Houareau (Bundesverband Musikindustrie), Alistair Hudson (ZKM Karlsruhe), Ruben Jonas Schnell (ByteFM), Tatjana Kaube (Initiative Musik), Martin Labacher (0711 Entertainment und HipHop Open), Tobi Müller (Journalist und Autor), Tristan Reiling (SWR Kultur), Viktor Schoner (Staatsoper Stuttgart), Carsten Schumacher (create music NRW), Mo Sommer (Musiker*in), Helena Stössel (SWR3), Jana Sylvester (Musicboard Berlin) und weitere Gäste.
Gelegenheiten zum direkten Dialog gab es außerdem im POPLÄND-Forum und beim abschließenden POPLÄND-Empfang. Nach einem Jahr Dialog zog Staatssekretär Arne Braun ein persönliches Fazit und stellte gemeinsam mit dem Beratungskreis die Bereiche vor, für die auf den Konferenzen besonderer Handlungsbedarf identifiziert wurde.
Mit Atomic Lobster, KIKI, Edwin Rosen, Nagomi und Levin Goes Lightly feierte POPLÄND 4 x About Pop zudem hervorragende Musik aus Baden-Württemberg.
Im Rahmen des Club- und Showcase-Festivals am 18. Mai, dem zweiten Tag der ABOUT POP, gab es noch viele weitere Acts aus Deutschland und der Welt zu entdecken. Im Park der Villa Reitzenstein wurden erneut Genre-Grenzen aufgelöst: Am Amtssitz des Ministerpräsidenten traf erstklassiger Pop von Dirk von Lowtzow, Charlotte Brandi und Future Franz auf das klassisch ausgebildete Ensemble des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Stuttgart.
Und auch bei der Jugendkonferenz About Y am 18. Mai war POPLÄND vertreten: Unter dem Stichwort „How to Musikbusiness: Musikleidenschaft zum Beruf machen“ konnten junge Musikbegeisterte mit Diana Ezerex (Musikerin), Melanie Greulich (Popakademie Mannheim) und Achim Lindermeir (Veranstaltungsmanagement Roxy Ulm und Tour und Production Management Schaltraum) ins Gespräch kommen und von Tipps und Insider-Knowhow der Profis profitieren.
- Vivien Avena, Geschäftsführerin des Musikclubs Substage in Karlsruhe und Vorstandsmitglied im Landesverband pop.bw
- Prof. Udo Dahmen, ehemaliger künstlerischer Leiter der Popakademie Mannheim
- Maren Donners, selbstständige Tontechnikerin und bis April 2024 Leiterin der Popbastion Ulm
- Walter Ercolino, Leiter des Pop-Büro Region Stuttgart, Vorstandsmitglied im Landesverband pop.bw und Vorstandsmitglied im Bundesverband Pop e. V.
- Diana Ezerex, Sängerin & Songwriterin, Kulturvermittlerin und engagiert bei Music Women* Baden-Württemberg, GEMA, Promusik und VERSO
- Theresa Kern, Kulturmanagerin, Veranstalterin und 1. Vorsitzende der Clubkultur Baden-Württemberg e. V.
- Nils Max, bis August 2024 Leiter der Projekte RegioNet und Bandpool an der Popakademie Baden-Württemberg
- Julia „Jules“ Nagele, Musikerin, Sprecherin der Sektion Musik des RATs für Kunst und Kultur Mannheim, Aktivistin bei Music Declares Emergency
- Christian Pertschy, geschäftsführender Gesellschafter der Jazz & Rock Schulen Freiburg gGmbH und Leiter des Popbüro Südlicher Oberrhein
- Lisa Tuyala, Musikerin, Initiatorin von Women* of Music (W*oM) , Aufsichtsratsmitglied der Initiative Musik und des Zentrums für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg, seit 2023 Teil des Intendanzteams am Stuttgarter Theater Rampe
- Prof. Hubert Wandjo, ehemaliger Business Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Mannheim
- Dr. Birte Werner, Leiterin des Zentrums für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg
Zentrale Handlungsfelder
Zum Abschluss des Dialogs erörterte, filterte und verdichtete der Beratungskreis die Erkenntnisse der POLÄND-Konferenzen auf sieben zentrale Handlungsfelder:
Das Land sollte mit Förderprogrammen Künstlerinnen und Künstler, Livemusik-Spielstätten, Clubs und weitere Orte der Pop- und Clubkultur sowie besondere Projekte unterstützen. Neben der künstlerischen Qualität gilt es, auch die Nachwuchsförderung und Aspekte der Diversität, der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, der Demokratieförderung sowie der Digitalität bei der Vergabe von Förderungen zu berücksichtigen. Förderprogramme sollten genreübergreifend und hinsichtlich Antragstellung und Abrechnung möglichst einfach und barrierearm konzipiert sein.
Im Flächenland Baden-Württemberg ist eine breite Vernetzung der Akteurinnen und Akteure entscheidend. Mit den Popbüros, Clubkultur Baden-Württemberg e. V. und dem neu gegründeten Verband pop.bw gibt es bereits dezentral agierende und regional verankerte Netzwerke und mit der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim und der Festival-Convention About Pop in Stuttgart wichtige Leuchttürme mit überregionaler Stahlkraft. Diese vorhandenen Strukturen gilt es zu stärken und weiterzuentwickeln sowie neue Kooperationen zu initiieren.
Die Bedeutung der baden-württembergischen Popkultur als Kunstform und Wirtschaftsfaktor sollte ebenso wie ihre wichtige Rolle für die kulturelle Teilhabe junger Menschen und als verbindende Kulturform für Menschen aller Bevölkerungsschichten deutlicher herausgestellt und breiter wertgeschätzt werden. Das Land sollte sich für mehr landes- wie bundesweite Sichtbarkeit einsetzen, bspw. durch eine weiter ausgebaute About Pop als Showcase- und Convention-Leuchtturm sowie einen neu zu schaffenden Popkultur-Preis BW und eine koordinierte Online-Präsenz des POPLÄND Baden-Württemberg.
Für die weitere Professionalisierung der Szenen braucht es Fort- und Weiterbildungsangebote für Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und Musikbusiness-Teilnehmende. Dazu sollte auf das große Know-how unterschiedlicher Expertisen der Kunst- und Kreativwirtschaft im Land zurückgegriffen werden. Besonderes Augenmerk muss auf der Entwicklung von praktischer Handlungskompetenz im Bereich der generativen KI liegen.
Künstlerinnen und Künstler und Kulturschaffende müssen für ihre Arbeit angemessen entlohnt werden, auch im Nachwuchsbereich. Das ehrenamtliche Engagement – nicht nur in den ländlichen Räumen – verdient mehr Anerkennung und Unterstützung. Auf europäischer Ebene müssen bei gesetzlichen Regelungen zu Streaming-Vergütungen und KI-Urheberrechtsfragen die Interessen von Kunstschaffenden stärker berücksichtigt werden.
Die Popförderung des Landes sollte in Baden-Württemberg sowohl urbane als auch ländlichere Regionen erreichen. Insbesondere für die Stärkung der personellen Infrastruktur, der Schaffung von Proberäumen und der Sicherung und Genehmigung von Clubs, Livemusikspielstätten und Festivalflächen sind die Kommunen wichtige Partner.
Angesichts der großen Umwälzungen durch die generative Künstliche Intelligenz braucht es hierzu verstärkt Forschung, Innovation und fachliche Qualifizierung, insbesondere auch an der Popakademie. Die exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit popkulturellem Fokus im Land bieten sich für eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation an. Gleichzeitig sollten im Rahmen von Studien und Konferenzen neue Entwicklungen innerhalb der Szenen diskutiert und praktische Lösungsansätze entwickelt werden.
Im Fokus stehen dabei Stipendien- und Förderangebote für Künstlerinnen und Künstler sowie Clubs und Festivals, der Ausbau von Netzwerken insbesondere in ländlichen Räumen, die Erhöhung der Sichtbarkeit und Strahlkraft der baden-württembergischen Popszene, eine angemessene Bezahlung von Popkulturschaffenden, Qualifizierungsangebote, Nachwuchsförderung und die Unterstützung von Transformationsbemühungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Diversität und Digitalität (Details in der Publikation).
Die Empfehlungen des Beratungskreises wurden Staatssekretär Arne Braun am 17. Mai 2924 im Rahmen von POPLÄND 4 x About Pop feierlich überreicht.