Interview vom 17. November 2025

Kritik an der Fusionsallianz: "Das bringt Misstrauen ins System"

Sechs Bundesländer gründen die "Fusionsallianz", um die Fusionsforschung zu bündeln. Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski äußert Bedenken.

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Ministerin Petra Olschowski

Mit der Gründung der „Fusionsallianz“ wollen sechs Bundesländer die Fusionsforschung strategisch bündeln. Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) sieht das Vorgehen kritisch: Es habe Vertrauen beschädigt und gefährde das Exzellenzprinzip.

Von Tim Gabel, 17. November 2025

Frau Olschowski, die Gründung der sogenannten Fusionsallianz einiger Bundesländer hat bei Ihnen für Irritationen gesorgt. Wie haben Sie von der Allianz erfahren?

Der Start war – um es ehrlich zu sagen – ziemlich ungewöhnlich. Wir waren alle beim Wissenschaftsrat in München, als plötzlich die Nachricht kam, dass eine Pressekonferenz zur Gründung der Allianz läuft. Weder der Gastgeber, Minister Blume, noch andere beteiligte Ländervertreter waren zu Beginn der gemeinsamen Sitzung da. Das war nicht das bisher übliche Vorgehen im Länderkreis, und in dieser Form habe ich so etwas seit 2016 in meiner Zeit als Staatssekretärin oder Ministerin noch nicht erlebt.

Was ist aus Ihrer Sicht die Motivation dieser Allianz?

Wenn man sich anschaut, welche Länder beteiligt sind, liegt die Vermutung nahe, dass es ganz offensichtlich um Einfluss und Fördermittel des Bundes geht. Das Bundesforschungsministerium plant nach unseren Informationen drei sogenannten Fusions-Hubs: einen für magnet basierte, einen für laser basierte Kernfusion und einen dritten für den Brennstoffkreislauf und die Tritiumversorgung. Für diesen dritten Hub hat das KIT in Karlsruhe bundesweit die höchste Kompetenz. Offenbar wollten einige Länder ihre Chancen für die anderen beiden Hubs bündeln – aber der Bund hat, soweit ich weiß, von dieser Allianz gar nichts gewusst.

Sie glauben also, dass die Länder Einfluss auf die Verteilung der Fördermittel nehmen wollen?

Das ist zumindest eine mögliche Interpretation. Ich halte es für zentral, dass Wissenschaftsförderung weiterhin über offene, wettbewerbliche Ausschreibungen erfolgt – und nicht über Zusammenschlüsse, die dann sagen: „Wir sind jetzt eine Allianz, bitte fördern Sie uns und die anderen nicht.“ Das widerspricht dem Exzellenzgedanken, nach dem die besten Konzepte gefördert werden.

Sehen Sie denn eine Gefahr, dass der geplante dritte Hub – also der für Tritium und den Brennstoffkreislauf – hintenüberfällt?

Das ist genau mein Punkt. Wenn nur zwei Hubs gefördert würden, wäre das Ganze unvollständig. Ohne den dritten Hub ergibt das System keinen Sinn. Alle Fachleute sagen: Ohne eine Lösung für den Tritium-Kreislauf und die Materialentwicklung kommen wir bei der Fusionsforschung nicht weiter. Das KIT arbeitet seit über 20 Jahren an diesen Fragen und hat hier schlicht die größte Expertise. Sollte man diesen Bereich ausblenden, wäre das ein strategischer Fehler – für die Forschung und für Deutschland.

Die Fusionsallianz spricht von „Koordination statt Konkurrenz“ – ist das nicht eigentlich positiv?

Kooperation zwischen den Ländern ist gut, richtig und oft notwendig, aber das muss transparent geschehen. Eine Allianz, die sich offenbar bildet, um andere Länder, die inhaltliche Kompetenz mitbringen, auszuschließen, damit Fördergelder nicht über alle relevanten Partner verteilt werden, wäre ein Bruch mit dem Prinzip offener Wissenschaftsförderung. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass das der Weg sein soll. Wir sollten – wie bisher – offen sprechen, uns inhaltlich abstimmen, Schwerpunkte setzen und Brücken bauen – und dann entscheiden Kompetenz und Wettbewerb um die besten Vorschläge. Dafür werde ich mich weiter einsetzen

Wie kam dieses Vorgehen denn bei den anderen nicht beteiligten Ländern an?

Ich kann nicht für alle sprechen, aber man kann schon sagen: Es hat Vertrauen beschädigt. Und zwar unnötig. Wir waren am Abend vor der Sitzung alle zusammen, haben über die großen Themen gesprochen – und niemand erwähnte, dass am nächsten Morgen eine Pressekonferenz zur Allianz stattfinden würde. Das kann man nicht als Zufall ansehen. Die Ministerinnen und Minister, die pünktlich bei der Sitzung des Wissenschaftsrats anwesend waren, waren jedenfalls alle irritiert.

Würden Sie sich denn grundsätzlich an der Allianz beteiligen, wenn Sie eingeladen würden?

Dazu gibt es bisher keine Gespräche. Die Formulierung von Herrn Blume, „Wir wollen nicht auf die Letzten warten“, empfand ich eher als Provokation. Mir geht es nicht darum, wer zuerst bei irgendeiner Allianz dabei ist, sondern wer die besten Projekte vorlegt. Und das sollte unser aller Ziel sein – und dazu gehört Transparenz. Wenn der Bund den dritten Hub wie geplant ausschreibt, wird das KIT und damit Baden-Württemberg sich bewerben, weil hier eine jahrzehntelange Expertise vorliegt. Mit oder ohne Allianz. Sollte sich aber die Form des Verfahrens ändern, muss man neu reden.

Was erwarten Sie vom Bundesforschungsministerium?

Dass die drei Hubs offen ausgeschrieben werden, wie das bisher bei solchen Programmen immer der Fall war.

Die Fusionsforschung erlebt derzeit einen enormen Aufschwung – auch durch private Akteure. Was bedeutet dieser Wettbewerb für das KIT und Baden-Württemberg?

Das KIT war lange so etwas wie der stille Riese in der Fusionsforschung – technisch führend, aber politisch kaum im Fokus. Jetzt ist das Thema plötzlich überall präsent. Unternehmen und Start-ups drängen mit eigenen Konzepten auf den Markt. Für das KIT ist das Chance und Herausforderung zugleich: Es muss seine Rolle klar behaupten, auch gegenüber der Politik. Und für mich als Ministerin heißt das, sicherzustellen, dass wir die wissenschaftlichen Kompetenzen im Land nicht schwächen, sondern strategisch stärken.

Kritiker sagen, die Fusion wird für die Energieversorgung absehbar keine Relevanz haben. Ist die Aufregung also nicht ohnehin ein politisches Strohfeuer?

Nein, das wäre zu einfach. Es geht um die Souveränität bei technologischen Entwicklungen, vor allem um die Weichenstellung für eine mögliche Zukunftstechnologie – und natürlich um viel Geld. Aber ich hoffe, dass wir jetzt zu einem geordneten, fairen Verfahren zurückkehren. Denn am Ende wollen wir alle dasselbe: Dass Deutschland in der Fusionsforschung international vorne mitspielt.

Kritik an der Fusionsallianz: „Das bringt Misstrauen ins System“