Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat die Ergebnisse seines Kulturdialogs vorgelegt, über die Staatssekretärin Petra Olschowski heute (20. Oktober) im Kabinett berichtet hat. Der von Kunstministerin Theresia Bauer und Staatssekretärin Olschowski angestoßene Beteiligungs-prozess „Dialog | Kulturpolitik für die Zukunft“ startete im Juni 2018 und lief über zwei Jahre. Beteiligt haben sich insgesamt 1.250 Menschen. Ziel war, gemeinsam die wichtigsten Aufgaben für die Kulturpolitik der nächsten Dekade weiter-zudenken.
„In den letzten Monaten hat die Kulturszene außerordentlich unter der Corona-Pandemie gelitten und leidet bis heute an deren Folgen. Die Wochen und Monate der Pandemie habe aber auch gezeigt, wie kreativ die Szene mit der Krise umgegangen ist, und sie hat sich jetzt langsam wieder geöffnet. Darüber freue ich mich sehr“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Kabinettsitzung. Und er betonte: „Die Bedeutung von Kultur für unsere Gesellschaft zeigt sich gerade jetzt: Sie stärkt, hinterfragt, verortet das aktuelle Geschehen in einem größeren Ganzen und sie unterhält. Auch und gerade in schwierigen Phasen ist uns Kulturpolitik daher wichtig. Und umso drängender ist die Frage, wie wir für Kunst und Kultur in Baden-Württemberg die richtigen Rahmenbedingungen schaffen können. Ich danke allen, die sich an diesem Dialogprozess beteiligt haben. Sie liefern der Politik damit wichtige Hinweise. Die spartenübergreifend erarbeiteten Ergebnisse des Kulturdialogs sind die Basis für die Kulturpolitik der kommenden Jahre.“
Das Kunstministerium hat Kulturschaffende aller Sparten und Bereiche, externe Fachleute, Vertreterinnen und Vertreter aus ehrenamtlichen Initiativen, aus der engagierten Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft sowie aus Verwaltung und Politik zusammengebracht, die aktiv in Workshops, bei Podiumsdiskussionen und in Beraterkreisen eingebunden waren und sich sparten- und hierarchieübergreifend mit den Themen „Digitale Welten“, „Strategien der Transformation“, „Neue gesellschaftliche Bündnisse“ und „Kunst und Kultur in ländlichen Räumen“ beschäftigt haben.
„Dialog und Publikation geben der Politik Handlungslinien vor. Einige Maßnahmen haben wir bereits umgesetzt, andere Aufgaben liegen noch vor uns. Einzelne Themen haben sich durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie verstärkt“, sagte Staatssekretärin Olschowski. So stünden die soziale Situation der Künstlerinnen und Künstler und die finanzielle Situation der vielen großen und kleinen Kultureinrichtungen im Land nun besonders im Fokus. „Baden-Württemberg zeichnet sich durch eine starke, vitale Kulturlandschaft in den Städten wie auch im ländlichen Raum aus. Auch das hat der Kulturdialog nochmals gezeigt. Wir müssen alles daransetzen, sie über die schwierige Zeit zu bringen“, betonte Olschowski. Dafür habe das Land mit seinem Masterplan Kultur BW | Kunst trotz Abstand wichtige Unterstützungsprogramme für Kunst- und Kultureinrichtungen aufgelegt.
Drängende Aufgabe: Soziale Situation der Kunstschaffenden
„Wenn durch die Corona-Pandemie etwas besonders deutlich geworden ist, dann ist es die prekäre Situation, in der sehr viele Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten“, so Olschowski. „Baden-Württemberg hat im Frühjahr rasch mit der Einführung der Soforthilfe reagiert. Die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern muss im Blick behalten werden. Freiberufliche Künstler müssen fair bezahlt werden, zum Beispiel durch die Einhaltung des Mindestlohns oder entlang der Richtsätze von Verbänden. Die Höhe der Mindestgage im Bereich der tarifvertraglich beschäftigten Künstlerinnen und Künstler muss angemessen erhöht werden und eine Existenzsicherung ermöglichen“, sagte Olschowski. Das Land werde in seiner Förderung künftig explizit die Einhaltung der Standards einfordern.
Weitere wichtige Ergebnisse des Dialogprozesses seien: Kunstfreiheit weiterhin uneingeschränkt zu verteidigen; die notwendige Organisationsentwicklung von Kultureinrichtungen durch spezifische Beratungsangebote zu unterstützen; weitere Stärkung von Diversität, Gender-Gerechtigkeit und jüngeren Perspektiven; Kulturelle Teilhabe bleibt weiterhin vordringliche Aufgabe aller Kulturbereiche; Kulturförderpolitik für ländliche Räume ist anders zu gestalten als für städtische Zentren.
Fokus auf nachhaltiges Arbeiten und Wirtschaften im Kulturbereich
„Als eine neue Aufgabe sehen sowohl die Kulturschaffenden als auch wir die deutliche Stärkung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz“, so Olschowski. Jede Landeseinrichtung müsse daher in Zukunft ein Konzept erarbeiten, das Klima- und Umweltgerechtigkeit und soziale Strukturen bei den Arbeitsprozessen berücksichtigt. „Schließlich ist die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit die große Herausforderung, vor der unsere ganze Gesellschaft steht – und Kulturpolitik ist immer auch als Gesellschaftspolitik zu begreifen“, betonte Olschowski.
Publikation dokumentiert den gesamten Prozess und seine Ergebnisse
Der gesamte Dialogprozess und seine Ergebnisse liegen nun in einer 180 Seiten umfassenden Publikation vor. Darin enthalten sind Empfehlungen und Best Practice-Beispiele aus den vier Themenforen, Aufsätze von Referentinnen und Referenten wie der Schriftstellerin Thea Dorn und des Philosophen Markus Gabriel sowie 13 Abschlussthesen. Ergänzt wird die Druckversion durch eine inhaltlich noch umfangreichere Website.
Erste Ergebnisse bereits im laufenden Prozess
„Von Anfang an war es das Ziel, Handlungsempfehlungen schnell aufzugreifen. Zahlreiche Impulse aus der intensiven Forenarbeit haben wir bereits während des laufenden Prozesses umgesetzt“, so die Staatssekretärin weiter. „Im Kulturdialog hat sich unter anderem gezeigt, dass es in den ländlichen Räumen beratende Angebote braucht und fachlich kompetente Ansprechpartner, die als Schnittstelle und Inkubatoren fungieren.“ In sechs Landkreisen wurden daher mit Unterstützung des Landes Regionalmanagerinnen und Regionalmanager Kultur eingesetzt, die als Ansprechpartner für kulturelle Belange ortsübergreifende Kooperationen unterstützen.
Eine weitere Forderung insbesondere der Museen war eine längerfristige Stärkung im Bereich Digitalisierung. „Ich bin daher sehr dankbar, dass der Landtag es ermöglicht hat, dass in diesem Jahr in den Landesmuseen dauerhaft 20 feste Stellen für Digitalmanagerinnen und -manager eingerichtet werden konnten“, sagt Olschowski.
Einen wichtigen Schritt unternimmt das Land mit der Gründung des interkulturell ausgerichteten Kompetenzzentrums für kulturelle Bildung und Vermittlung. „Diese Anlauf- und Vernetzungsstelle ist ein wegweisendes Ergebnis aus dem Dialogprozess und eine Maßnahme für mehr Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe für alle, unabhängig von der ethnischen, kulturellen und sozialen Herkunft“, betonte die Staatssekretärin.
Livestream: Ergebnisse und Schlussfolgerungen werden diskutiert
Die Ergebnisse aus dem Kulturdialog werden am Mittwoch (21. Oktober) ab 16 Uhr in einer per Livestream übertragenen Abschlussveranstaltung mit Kunstministerin Theresia Bauer und Staatssekretärin Petra Olschowski vorgestellt und Schlussfolgerungen diskutiert. Zu Wort kommen auch die vier Forenleitungen und weitere Beteiligte. Die Zuschauer können sich virtuell zuschalten und an der Diskussion beteiligen. Über Filmbeiträge und persönliche Statements wird der Dialogprozess nochmals greifbar.
Dialogisches Prinzip: Weiter Grundlage der Kulturpolitik des Landes
Zu den Ergebnissen des Kulturdialogs zählt nicht zuletzt, dass das dialogische Prinzip auch künftig Grundlage für die Kulturpolitik sein und fortgesetzt werden muss. Olschowski: „Nun endet zwar das Format, aber nicht der Dialog: Der intensive Austausch zwischen Kulturschaffenden und allen Bereichen der Kulturförderung geht weiter.“
Weitere Informationen
Livestream am 21. Oktober ab 16 Uhr mit Beteiligungsmöglichkeit, Publikation & Website
Die neue Website zum mehrstufigen Beteiligungsprozess „Dialog | Kulturpolitik für die Zukunft“ wird am 21.10.2020 während der Abschlussveranstaltung mit Ministerin Theresia Bauer, Staatssekretärin Petra Olschowski sowie den Forenleitungen freigeschaltet. Diese wird per Livestream übertragen. Interessierte können sich virtuell an der Diskussion beteiligen.