Ministerpräsident Kretschmann hat am 21. Oktober 2024 im Stuttgarter Neuen Schloss erstmals den Landespreis für Dialekt verliehen. In sechs Preiskategorien hat die Landesregierung zusammen mit dem Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg 20 Einzelpersonen und Gruppen ausgezeichnet, die sich künstlerisch auf unterschiedliche Weise für die Mundart und eine lebendige Dialektlandschaft einsetzen. Mit der Ehrung will die Landesregierung Engagement sichtbar machen und das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung und die Vielfalt der Dialekte in Baden-Württemberg schärfen. Der Preis ist ein zentraler Baustein der Dialektinitiative des Landes.
330 Bewerbungen aus allen Landesteilen
„Etwa 330 Beiträge aus allen Landesteilen wurden eingereicht – ein beeindruckendes Zeugnis der Vitalität unserer Dialektlandschaft. Dialekte sind weit mehr als nur Sprache: sie sind Ausdruck von Identität, Zusammenhalt und Heimatverbundenheit. Sie schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit und sind ein gesprochenes Zeichen unseres kulturellen Reichtums. Baden-Württemberg ist vielfältig, gleichzeitig bleibt die tiefe Verwurzelung in unserer Heimat spürbar. Diesen Schatz gilt es zu bewahren – und ich bin dankbar, dass sich so viele Menschen dafür einsetzen“, sagte Ministerpräsident Kretschmann.
Viele junge Menschen unter Preisträgerinnen und Preisträgern
„Auch, wenn es immer wieder Abgesänge auf den Dialekt gab und gibt: Sprache ist lebendig und entwickelt sich weiter. Das beweisen besonders die vielen jungen Menschen unter den Preisträgerinnen und Preisträgern, die ganz selbstverständlich ihren Dialekt sprechen und sich kreativ mit ihrer Sprache auseinandersetzen – sei es durch Poetry Slams oder in den sozialen Medien“, sagte die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Petra Olschowski. Ganz bewusst gebe es beim Landespreis deshalb auch die Preiskategorien „Junge Generation“ und „Neue Medien“.
60.000 Euro Preisgeld für Gewinnerinnen und Gewinner
Die Gewinnerinnen und Gewinner erhielten insgesamt 60.000 Euro Preisgeld – verteilt auf Haupt- und Förderpreise in den Kategorien Neue Medien, Film, Kabarett/Comedy/Live-Performance/Bühnenkunst, Lied/Musik, Literatur sowie Junge Generation.
Der Landespreis für Dialekt soll künftig alle zwei Jahre an wechselnden Orten vergeben werden.
Ausgezeichnete nach Kategorie und Preis
- Hauptpreis: MundArtWeg Poppenweiler
Der MundArtWeg Poppenweiler ist ein Spazierweg, an dem es die unterschiedlichsten Themen zur Mundart und den Eigenarten der Region zu entdecken gibt. Das Besondere an diesem Weg ist, dass seine Inhalte nicht auf herkömmlichen Schildern statisch präsentiert werden, sondern in digitaler Form auf Smartphone oder Tablet abgerufen werden können und so die Inhalte immer wieder aktualisiert oder erneuert werden können. Dabei überraschen vor allem die Beiträge, die zu hören sind: u.a. ertönen auch prominente schwäbische Stimmen oder es werden originelle Geschichten und Details erzählt. - Hauptpreis: Lukas „Cossu“ Staier
Lukas Staier tritt seit vielen Jahren unter dem Namen Cossu als Entertainer und Comedian in den sozialen Medien und im Fernsehen auf. Bei Instagram hat er mehr als 300.000 Follower. Er beschreibt sich selbst alsBestsellerautor/Creator/Schauspieler/Lehrer/Rapper und „Echter Schwarzwälder“.
In the Black Forest we say: "Wem g`härsch du?!". Mit diesem Titel begann im Februar 2021 seine Reise auf Social Media. Seitdem hat er hunderte Comedy Videos in verschiedenen Dialekten gedreht und hochgeladen – am liebsten in seinem alemannischen Heimatdialekt.
- Hauptpreis: Mord im Heiligenwald
In einem schwäbischen Dorf in den fünfziger Jahren wird ein tyrannischer Familienvater erschlagen im Wald aufgefunden. Die Angehörigen geraten unter Verdacht. Ermittelt wird von zwei Dorfpolizisten, denen ein Kriminalkommissar samt Assistent vor die Nase gesetzt wird. Eine spannungsgeladene "Zusammenarbeit", welche die Dorfpolizisten mit schwäbischem Schalk für sich entscheiden.
Kamera und Montage brillieren an historisch detailliert ausgearbeiteten Drehorten. - Förderpreis: Milch ins Feuer
Anna ist schwanger und denkt übers Kastrieren nach. Katinka kann vielleicht doch keine Bäuerin werden und trägt ihren Bikini im Melkstand. Aber Omas Tomaten sind in diesem Sommer besser geworden als jemals zuvor. Der Film liefert einen Blick ins heutige bäuerliche Leben mit seinen archaischen Wurzeln und Strukturen. In perfekter Mundart beleuchten die Protagonistinnen die Probleme und Perspektiven der Frauen auf sterbenden Bauernhöfen. - Förderpreis: Scheene Weihnachda
Was hört man in der Weihnachtzeit in den schwäbischen Haushalten? Der Nachsprechenversuch von den Schwaben und von der restlichen Welt.
Lehrer und Kinder arbeiten mit großer Freude an ihrer schwäbischen Aussprache.
- Hauptpreis: Oiga Art mit dem Programm Schaumschlaga
Die Kabarettgruppe mit sechs Akteurinnen und Akteuren (vier Männer, zwei Frauen) bringt in ihrem selbstverständlichen oberschwäbischen Dialekt Themen auf die Bühne, die vor der Haustür liegen und exemplarisch für ganz Baden-Württemberg sind, weil sie Alltagsdinge betreffen. Etwa die Manie, alles mit dem Smartphone zu fotografieren, vom Essen bis zum Pickel ausdrücken sowie Stationen eines Sonnenbrands. Die Gesellschaftskritik mit lokalem Einschlag überzeugt durch Originalität. Skurril und deftig sind die Bühnenfiguren. - Förderpreis: Fabian Bürkin mit seinem Programm Let’s schwätz
Dem Alemannen vom Kaiserstuhl gelingt es in seinem Programm, über den Dialekt nachzudenken ohne eine Lehrstunde aus standardsprachlicher Position abzuhalten. Konsequent bleibt er selbst in der Mundart, wenn er Erklärungen gibt und Gefühle sucht, die im Dialekt mitschwingen. Er operiert mit unscheinbaren, wenig bekannten Begriffen oder Sprüchen. Sein Programm wendet sich auch an jüngere Generationen, von denen genaues Zuhören verlangt wird. - geteilter Förderpreis: Die Kächeles aus Dormettingen
Die Kächeles sind seit Jahren die Spezialisten für gelebten schwäbischen Geschlechterkampf. Dort begegnen sich zwei, die ihre Ecken und Kanten mit sprachlicher Direktheit ausleben und Konflikte persönlicher Art auf die Spitze treiben. Alltägliche Anlässe, die eine harmlose Diskussion ermöglichen könnten, werden zu einer Fehde mit Dialekt-Kaskaden. - geteilter Förderpreis: Onne und Ingrid aus Bruchsal
Onne und Ingrid spielen selbstgeschriebene Sketche in südfränkischer und kurpfälzer Mundart beim Theater „Die Koralle“ in Bruchsal. Sie zeigen sich als herzensgute und knitze Frauen, die sich in ihrem Dialekt durch die Tücken des Lebens schlagen.
- Hauptpreis: Markus Stricker von der Gruppe Wendrsonn mit dem Titel „Geile Zeit“
Markus Stricker ist ein überzeugter und überzeugender Botschafter der Mundart. Mit dem Titel „Geile Zeit“ spricht Markus Stricker alle Generationen an. Sauber intonierter Satzgesang und der perfekte instrumentale Einsatz zeugen von langjähriger Bühnenerfahrung. - Förderpreis: Elena Seeger mit dem Titel „Nachtkrapp“
Elena Seeger schwelgt in Erinnerungen an die Kindheit. Ihr gekonnter Umgang mit der schwäbischen Sprache ruft assoziative Bilder in den Köpfen der Zuhörerinnen und Zuhörer hervor. Elena Seeger hat eine unverwechselbare Stimme, mit der sie variabel und stilsicher im Ausdruck ihre Inhalte transportiert. - Förderpreis: Manuel Dörflinger von der Gruppe LUDDI mit dem Titel „Ich schwätz Alemannisch“
Manuel Dörflinger zeigt in der Liebeserklärung an seine alemannische Muttersprache, wie klangvoll Mundart sein kann. Schöne Wortbilder bleiben im Gedächtnis und zeugen von der Ausdrucksstärke mundartlicher Texte.
- Hauptpreis: Sandhya Hasswani: „Friide“
Sandhya Hasswanis „Friide“ ist eine unglaublich berührende, authentische Prosaerzählung im alemannischen Dialekt, dicht und verwoben wie ein orientalischer Teppich. Bilder werden lebendig, ziehen den „Betrachter“ in die Geschichte, in die Problematik hinein, lassen teilhaben und nehmen gefangen. Trotz aller Dramatik findet die Autorin eine Lösung in der Geschichte wie im Leben: Frieden. Dabei verfügt sie über eine große Kunstfertigkeit: Sie erzählt ganz „einfach“, ohne Übertreibungen, ohne Tricks. Und als sie am Schluss noch die Prosa in Lyrik auflöst, ist ihr mit dieser Erzählung insgesamt ein Kunstwerk gelungen. - geteilter Förderpreis: Theresa Dold: „Drachewolkeritt“
Es ist ein gefährlicher, aber auch schöner Drachenwolkenritt, auf den die Autorin uns in ihrem lyrischen Gedicht in alemannischer Sprache mitnimmt. In sprachlich wunderschön „gemalten“ Bildern überzeugt sie uns davon, dass es richtig ist aufzubrechen und loszulassen, wenn einen das Leben zu sehr aufrüttelt. - geteilter Förderpreis: Marlies Grötzinger: „Loslau“
Dass sich der schwäbische Dialekt auch für Lyrik eignet, davon weiß die Autorin schon seit Jahren überzeugend zu berichten. Das Loslassen der Blätter am Baum beschreibt symbolisch auch die Trennung einer Mutter von ihren Kindern oder den Abschied von einer geliebten Person. Das Loslassen kann man, muss man lernen. Erst dann ist dieser Prozess vollendet. - Förderpreis: Berthold Kracke: „Schlüsselerlebnis“
Eine Sitzung bei der Psychotherapeutin. Das ist keine Hochliteratur, aber gute Unterhaltung in Karlsruher Dialekt. Spannend, lustig und so gut inszeniert, dass man richtig an der Story hängenbleibt. Und zum Schluss gibt es, passend zum Titel, eine überraschende, pfiffige Pointe.
- Hauptpreis: timundjani – Tim Greif und Jan Bräuninger
Tim und Jani haben sich mit ihrem „Schwäbischen Qualitätscontent“, wie sie es selbst nennen, in den sozialen Netzwerken bereits einen Namen gemacht und begeistern mit über 294.000 Followern auf TikTok, 82.000 auf Instagram und mehr als 16 Millionen Likes eine beachtliche Community. Mit Witz, Charme und einer ordentlichen Portion Selbstironie nehmen sie klassische schwäbische Stereotypen aufs Korn. Tim und Jani setzen dabei ein klares Zeichen: Dialekte sind kein Relikt der Vergangenheit, sondern lebendig und ein wichtiger Teil unserer Identität und Kultur. - Förderpreis: Schlichterbänkle – Annika Gamer – Schlossgartenschule
Diese Schulprojekt besteht aus drei Komponenten: Beschäftigung mit der Mundart, Anfertigen der Schlichterbänkle mit eingefrästen Sprüchen in Mundart und Präsentation eines Sketches in Fränkisch. Der eingesandte Beitrag zeigt die Planungen, die Vorarbeiten, die Durchführung und Präsentation in Bildern und Beschreibungen. Das Projekt regt zum Nachmachen an und bringt die Mundart schelmisch in das Bewusstsein der Menschen. - geteilter Förderpreis: Jona Raff: Bärenhof Filderstadt
Jonas Raff erklärt in zahlreichen Facebook-Posts, was auf dem Hof in Filderstadt alles gesät, gepflanzt oder im Gewächshaus angebaut wird. Er spricht fast durchgängig in der Mundart (der Stuttgarter Region) und verwendet die typischen schwäbischen Wörter für die Fachbegriffe (zopfla, Butza, …). Seine Posts sind ernsthaft, lehrreich, informativ, aus dem Alltag heraus ohne Klamauk, aber durchaus mit Humor und kindlichem Eifer. Die Grundidee ist sehr originell, spricht an und zeigt einen Einblick in den Betrieb, in dem tolle Nachwuchskräfte heranwachsen, die sich frühzeitig mit den Aufgaben dort beschäftigen. - geteilter Förderpreis: Leonie Huber: Großputzete
Die 10jährige Leonie hat einen zweiseitigen, alemannischen Text zu einem Umweltproblem geschrieben. Darin geht es um drei Kinder, die im Wald Müll einsammeln wollen. Dabei entdecken sie ein Wolfsjunges, das in einer Drahtschlaufe gefangen ist. Sie befreien das bereits schwache Tier, bauen eine Trage und bringen es heim. Es wird vom Tierarzt behandelt und dort gesund gepflegt. Mit einem Brief an den Bürgermeister schaffen es die Kinder, dass alle zu einer Dorfputzede aufgerufen werden. Sehr gut gelungene Kurzgeschichte mit aktuellem Inhalt, kindgerecht, lebendig und durchgängig in Alemannisch geschrieben.
- Das Land vergibt den Landespreis für Dialekt in Zusammenarbeit mit dem Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg, der die Ausschreibung, die Jurysitzung und die Verleihung organisatorisch betreut.
- Die Mittel für den Landespreis stellt das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst bereit. Die Preissumme beträgt 60.000 Euro und wird in die sechs Preiskategorien aufgeteilt. Für jede der Kategorien werden ein Hauptpreis von 5.000 Euro und zwei Förderpreise von 3.000 Euro und 2.000 Euro vergeben. Die Preise aller Kategorien können jedoch auch geteilt werden.
- Über die Verleihung des Landespreises entscheidet das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst aufgrund des Vorschlags einer zwölfköpfigen Jury. Die Mitglieder der unabhängigen und ehrenamtlich tätigen Jury beruft das Ministerium für eine Amtsperiode von vier Jahren ein.