Baden-Württemberg hat als erstes Land den Weg frei gemacht für Rückgaben von Benin-Bronzen an Nigeria. Das Stuttgarter Linden-Museum erhält den Auftrag, konkrete Objekte für eine Rückgabe zu identifizieren und in Gespräche mit der nigerianischen Seite einzutreten. Die Landesregierung setzt damit zügig und konsequent die in der Benin-Erklärung getroffene Verabredung zum Umgang mit Benin-Bronzen in deutschen Museen um. Die Träger der deutschen Mitgliedsmuseen der Benin Dialogue Group hatten gemeinsam mit dem Bund vereinbart, die Gespräche mit der nigerianischen Seite zeitnah und koordiniert fortzuführen. Im Zentrum steht die grundsätzliche Bereitschaft zu Rückgaben von Benin-Bronzen.
„Wir wollen Verantwortung für unser schwieriges koloniales Erbe übernehmen – und dies auch im Handeln zum Ausdruck bringen. Die Spuren des Kolonialismus finden sich in den musealen Sammlungen des Landes. Hier gibt es zahlreiche Kulturgüter, die in kolonialem Kontext zu Unrecht erworben wurden. Dies trifft unstrittig auch auf die Benin-Bronzen zu. Diesen kommt aufgrund ihrer historischen und kulturellen Bedeutung, ihres künstlerischen Rangs und ihrer internationalen Verbreitung eine herausragende Stellung zu. Mit dem Kabinettsbeschluss machen wir den Weg frei für den weiteren Prozess und Dialog mit den nigerianischen Partnern“, sagte Kunstministerin Theresia Bauer am Mittwoch (21. Juli) in Stuttgart.
Der Ministerrat hatte sich in seiner Sitzung am Dienstag (20. Juli) hinter die mit der Benin-Erklärung vom 29. April 2021 formulierten Grundsätze zum Umgang mit Kulturgütern aus dem ehemaligen Königshaus Benin gestellt. Als Mitglied der Benin Dialogue Group hatte sich auch die Leiterin des Linden-Museums, Professorin Inés de Castro, für Rückgaben im Kontext der geraubten Benin-Bronzen ausgesprochen.
„Eine aktive Auseinandersetzung mit den Folgen der Kolonialzeit und eine Überwindung von Rassismus und Diskriminierung ist ohne Rückgaben in relevantem Umfang nicht denkbar. Es ist mir daher ein großes Anliegen, dass wir als Land zügig und konsequent auch unsererseits die notwendigen Voraussetzungen schaffen und die weiteren Schritte einleiten, um unserer historischen Verantwortung auch gegenüber Nigeria gerecht zu werden“, so die Ministerin weiter.
Das Linden-Museum mit seiner Direktorin Professorin Inés de Castro werde nun auf museumsfachlicher und kuratorischer Ebene über den konkreten Umgang mit den Einzelobjekten aus dem Bestand des Museums mit den Partnern der Benin Dialogue Group und mit nigerianischen Partnern sprechen und Objekte in seiner Sammlung identifizieren, die für Rückgaben vorgesehen werden sollen. Zu den Objekten hat das Linden-Museum in seiner vorbildlichen Sammlung digital bereits umfassend Transparenz geschaffen. Die Benin-Objekte sind auch in der Datenbank des German Contact Point for Collections from Colonial Contexts eingestellt.
Noch in diesem Jahr sollen zentral auf Bundesebene mit der nigerianischen Seite konkrete Handlungsschritte und ein Fahrplan für das weitere Verfahren entwickelt werden, erste Rückgaben sollen im Lauf des Jahres 2022 erfolgen. Federführend verhandelt das Auswärtige Amt.
Weitere Informationen:
Am 29. April 2021 haben sich auf Kulturminister-Ebene der Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen mit ihren am Benin Dialogue beteiligten Museen gemeinsam mit Vertretern des Auswärtigen Amtes sowie Staatsministerin Prof. Monika Grütters zu einem abgestimmten Vorgehen beim Umgang mit den Benin-Bronzen bekannt und die Erklärung zum Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Benin-Bronzen („Benin-Erklärung“) verabschiedet. Baden-Württemberg hat sich bei der Erarbeitung der Erklärung aktiv eingebracht.
Mit dieser Erklärung machen die Unterzeichner deutlich, dass der Umgang mit den Benin-Bronzen ein entscheidender Baustein im Umgang Deutschlands mit Sammlungsgut aus kolonialem Kontext ist, der international Beachtung finden wird. Vereinbart wurde unter anderem, umfassende Transparenz über die in den deutschen Sammlungen vorhandenen Benin-Bronzen zu schaffen sowie die Gespräche mit der nigerianischen Seite zeitnah und koordiniert fortzuführen. Im Zentrum steht die grundsätzliche Bereitschaft zu Rückgaben von Benin-Bronzen in substanziellem Umfang.
Die Entscheidung über konkrete Rückgaben liegt bei den jeweiligen Trägern der Museen, Grundlage hierfür ist die Abstimmung mit den nigeranischen Partnern. Die politischen Verhandlungen mit den verschiedenen Akteuren auf nigerianischer Seite (Nationalstaat, Regionalregierung, Königshaus) werden vom Auswärtigen Amt geführt. Von nigerianischer Seite aus ist geplant, in Benin-City ein neues Museum zu errichten, in dem eine Auswahl der zurückgegebenen Objekte öffentlich ausgestellt werden soll.
Linden-Museum Stuttgart
Im Bestand des Linden-Museums befinden sich 78 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin, darunter 64 Benin-Bronzen. Auch wenn die Provenienz dieser Objekte nicht in allen Fällen vollumfänglich aufklärbar ist, muss davon ausgegangen werden, dass diese zumindest weit überwiegend im Jahr 1897 während einer brutalen britischen Strafexpedition aus dem Palast des Königshauses Benin, dessen Gebiet heute in Nigeria liegt, geplündert und anschließend zur Refinanzierung der Militäraktion versteigert wurden. Das Linden-Museum hat den größten Teil seiner Benin-Objekte bereits 1899 in Berlin erworben.
Die Objekte wurden damit in „ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise“ im Sinne der Ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten der Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, der Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom 13. März 2019 erworben.
Benin-Bronzen finden sich nicht nur im Bestand des Linden-Museums, sondern – teilweise in deutlich höherer Zahl – auch in anderen deutschen und europäischen Sammlungen. Bereits 2010 wurde daher die Benin Dialogue Group gegründet, in der Museen aus Deutschland (darunter auch das Linden-Museum), Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und Schweden mit nigerianischen Partnern und Vertretern des Königshauses von Benin mit dem Ziel zusammenarbeiten, Transparenz herzustellen und eine einvernehmliche Lösung zum Umgang mit diesen Objekten zu finden.