Baden-Württemberg soll seine Position als weltweit konkurrenzfähiger Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort dauerhaft behaupten können. Deshalb hat das Land Strukturen geschaffen, die Forschung auf hohem Niveau und eine enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ermöglichen. Die langfristig angelegte und strategisch ausgerichtete Forschungsförderung zielt darauf ab, internationale Schwerpunkte, Zentren und Verbünde zu schaffen und enge Verbindungen zu den renommierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Land zu knüpfen.
Ein wichtiges innovationspolitisches Ziel ist die Entwicklung von besonderen Zukunftsfeldern, die großes Wachstumspotentiale im Land erwarten lassen. Hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Themenfelder:
- nachhaltige Mobilität
- Umwelttechnologien, erneuerbare Energien und Ressourceneffizienz
- Gesundheit
- Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Green IT
Um ein nachhaltiges, biobasiertes Wachstum zu sichern, sind Lösungen notwendig, die Wirtschaftswachstum mit globaler Verantwortung für Welternährung, Umwelt-, Klima- und Naturschutz verbinden. Dazu gilt es neue Technologien für einzelne Fragestellungen zu entwickeln, die von Anfang an deren Auswirkungen auf das Gesamtsystem in Betracht ziehen. Das Wissenschaftsministerium hat in einem breiten Dialogprozess die Forschungsstrategie Bioökonomie konzipiert und ein Förderprogramm im Umfang von 13 Mio. Euro aufgelegt, mit dem keine Einzelprojekte, sondern interdisziplinäre, standortübergreifende Forschungsverbünde unterstützt werden.
Die Entwicklung der Elektromobilität hat zum Ziel, die CO²-Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Klimarelevanz der (Elektro-)Fahrzeuge hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Fahrzeugeffizienz, dem Antriebskonzept und der Speichertechnologie. Baden-Württemberg ist Vorreiter in der Erforschung, Entwicklung und Produktion des Autos der Zukunft. Ziel der ressortübergreifenden Landesinitiative Elektromobilität ist es dabei, die Anstrengungen zu bündeln. Die 2010 gegründete Landesagentur e-mobil BW nimmt die Funktion eines Dachs für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie im Land wahr. Der von der e-mobil BW koordinierte Cluster "Elektromobilität Süd-West" wird bis zum Jahr 2017 vom Bund mit bis zu 40 Mio. Euro gefördert. Förderung durch den Bund erhält auch das Schaufenster Elektromobilität. Die Elektromobilität verlangt nicht nur Forschungstätigkeiten im Bereich der Energiespeicherung und -umwandlung, sondern auch auf dem Gebiet der Leichtbaukomponenten.
Die Forschung im Bereich Leichtbau spielt unter dem Aspekt der nachhaltigen Ressourcenschonung und Steigerung der Energieeffizienz im Rahmen der Klimawende eine bedeutende Rolle. In Baden-Württemberg existieren zahlreiche Initiativen in diesem Bereich unter anderem die Landesagentur Leichtbau, das Verbundforschungsprogramm "Hybrider Leichtbau" sowie den Bau des Forschungscampus der Universität Stuttgart "Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles - ARENA 2036" an der Universität Stuttgart.
Die 2013 gegründete Landesagentur Leichtbau BW GmbH hat die Aufgabe einer landesweiten Koordinierungsstelle. Dazu zählen das Anregen von Wissenstransfer, das Aufzeigen von Innovationspotenzialen, die Initiierung von Kooperationen über Branchen und Technologiegrenzen hinweg, die Gewinnung von Nachwuchskräften und Studierenden für den Leichtbau sowie die Positionierung Baden-Württembergs als Forschungs- und Wirtschaftsstandort auf dem Gebiet des Leichtbaus im Inland und im Ausland.
Fünf Verbundforschungsprojekte im Bereich Leichtbau bearbeiten Forschungsthemen entlang der Wertschöpfungskette hybrider Leichtbauteile von der automatisierten Herstellung über die Verbindungstechnik bis zu deren Bearbeitung. Beim hybriden Leichtbau kommen Werkstoffverbunde zum Einsatz, die aus unterschiedlichen Werkstoffen hergestellt oder gefügt werden (z. B. Metall und faserverstärkte Kunststoffe).
Im Forschungscampus ARENA2036 werden Forschungen und Entwicklungen im Bereich des Leichtbaus sowie innovativer Produktionstechnologien zusammengebracht. Der Weg für den Automobilbau der Zukunft soll bereitet werden. Der Neubau einer Forschungsfabrik ist in diesem Kontext notwendig. In dem Gebäude sollen sowohl die Forschungsprojekte umgesetzt als auch die Ergebnisse aus der Forschung in Prototypen überführt werden, so dass die Demonstration der Marktreife und damit der Technologietransfer erleichtert wird.
Die Energiewende steht für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. In Baden-Württemberg gibt es hierzu zahlreiche (Forschungs-) Initiativen wie das Energy Lab 2.0 am KIT, das Industry-on-Campus (IoC)-Vorhaben "Rohstoff- und Energieeffizienz durch verfahrenstechnische Innovationen" sowie das Windenergie Forschungsnetzwerk Süd (WindForS) an der Universität Stuttgart.
Mit dem Energy Lab 2.0 entsteht am KIT eine intelligente Plattform, um das Zusammenspiel der Komponenten künftiger Energiesysteme zu erforschen. Das Projekt ist eingebettet in die Gesamtstrategie der Helmholtz-Gemeinschaft zum Thema Energie. Für das Energy Lab 2.0 errichten die Partner bis 2018 ein Simulations- und Kontrollzentrum und einen energietechnischen Anlagenverbund am KIT-Campus Nord, ein Elektrolyse-Testzentrum am Forschungszentrum Jülich und eine Testanlage zur Erprobung von Power-to-Heat-Konzepten am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart. Ein Simulations- und Kontrollzentrum am KIT verknüpft alle Komponenten des Anlagenverbundes am KIT und der Partner über Informations- und Kommunikationstechnologien zu einem intelligenten Gesamtsystem ("Smart Energy System"). In der Kombination ist diese Infrastruktur die erste ihrer Art in Europa.
Das IoC-Vorhaben "Rohstoff- und Energieeffizienz durch verfahrenstechnische Innovationen" wird in Kooperation zwischen der Universität Stuttgart, dem KIT und dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik durchgeführt, dessen Ziel es ist, in Zusammenarbeit mit der Industrie, insbesondere der KMU, aus Baden-Württemberg ein Prozesszentrum für ressourceneffiziente verfahrenstechnische Prozesse aufzubauen und anhand ausgewählter Beispiele (Wärmetransformations- und Wärmespeichersysteme, Bioproduktionsprozesse sowie Prozesse zur Kreislaufführung von Wasser) das Potential der Steigerung der Rohstoff- und Energieeffizienz durch Prozessintegration und Prozessintensivierung bei verfahrenstechnischen Prozessen aufzuzeigen.
Ziel der Partner innerhalb von WindForS mit Federführung an der Universität Stuttgart ist es, bei der Windenergie-Forschung sowie der Fort- und Weiterbildung zusammenzuarbeiten. Ein Schwerpunkt der Kooperation werden Entwicklungen für die Windkraftnutzung an topologisch anspruchsvollen Standorten wie etwa den bergigen Regionen in Süddeutschland sein. Großen Forschungsbedarf gibt es insbesondere bei der onshore-Windkraft in bergigem Gelände, wie z.B. die Themen Vereisung, Strömungsbeeinflussung durch Hanglagen, Turbulenzuntersuchungen, Optimierung von Rotorblattprofilen oder der Einfluss von Wald.
Baden-Württemberg verfügt über eine gute Forschungsinfrastruktur und sehr gute Vernetzung im Bereich der Luft- und Raumfahrt durch Cluster und Netzwerke. Die Universität Stuttgart ist die einzige staatliche Universität mit einer Fakultät für Luft- und Raumfahrt. Dort werden rund 50 Prozent aller deutschen Ingenieurabsolventen und -Absolventinnen mit Spezialisierung Raumfahrt ausgebildet.
Das Forschungsprojekt "Ökoflieg" ist innerhalb des Vorhabens DLR@Uni-Stuttgart eingebunden. Auf diese Weise soll das Thema "Elektrisches Fliegen" als Leuchtturmprojekt etabliert werden. Dazu stehen mit e-Genius (IFB Uni Stuttgart) und Antares H2 (DLR-TT) zwei herausragende und weltweit einzigartige Forschungsplattformen mit komplementären Konzepten zur Verfügung. Aus der Synthese aller Konzepte soll als gemeinsames Projekt von TT und IFB der Entwurf für ein neues, kommerziell realisierbares, 6-10 sitziges elektrisches Flugzeug entwickelt werden. Baden-Württemberg kann sich dadurch im Bereich des ökologischen Fliegens (im Geschäfts- und Individualverkehr) positionieren.
"Industrie 4.0" steht für eine bestmögliche Funktionsweise von Maschinenbau und Elektrotechnik in Kombination mit der Informationstechnologie bis hin zu einer intelligent vernetzten Produktionsweise in den Fabriken der Zukunft. Relevante (Forschungs-)Themen sind hierfür neue Arbeitswelten, Sicherheit, Standardisierung und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die Hochschule Reutlingen und die Universität Stuttgart gründeten mit der Bosch-Gruppe ein Studien- und Forschungszentrum für Leistungselektronik, das Robert-Bosch-Leistungszentrum. Ebenso war die Expertenkommission Ingenieurwissenschaften@BW 2025 eingerichtet worden.
Mit dem Robert-Bosch-Leistungszentrum entstand ein beispielgebender Forschungs- und Lehrverbund, der die ganze Bandbreite von Hochschulausbildung, Forschung, Technologietransfer, Nachwuchsförderung und wissenschaftlicher Weiterbildung abdeckt. Eine effiziente Leistungselektronik ist für die erfolgreiche und wirtschaftliche Anwendung von Lösungen der Elektromobilität, der Photovoltaik, in Windkraftanlagen, in der Mikroelektronik in der Medizin und der Antriebstechnik in der Industrie von großer Bedeutung.
Die Expertenkommission Ingenieurwissenschaften@BW 2025 mit Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft hat die für den industriellen Wandel (Industrie 4.0) entscheidenden Ingenieurwissenschaften im Land einer systematischen Stärken-Schwächen-Analyse unterzogen. Sie hat im Dezember 2015 Empfehlungen dazu vorgelegt, wie die Ingenieurwissenschaften der Dynamik des wissenschaftlich-technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts bestmöglich Rechnung tragen können. Die Kommission hat zudem Vorschläge in ihrem Abschlussbericht erarbeitet, wie Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen des Landes möglichst erfolgsversprechend im nationalen, europäischen und auch internationalen Fördersystem positioniert werden können und wie die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Innovations- und Produktionsstandorts Baden-Württemberg durch Profilbildung, Struktur- und Schwerpunktförderung der Ingenieurwissenschaften gesichert und verbessert werden kann.
Abschlussbericht Expertenkommission Ingenieurwissenschaften@BW 2025 [PDF]
In der Gesundheitsforschung ist Baden-Württemberg hervorragend. Dies zeigt sich unter anderem an der Beteiligung des Landes an allen sechs bestehenden Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Drei Standorte der beiden neu zu etablierenden Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung für Psychische Gesundheit und Kinder- und Jugendgesundheit, die voraussichtlich 2023 starten werden, befinden sich ebenfalls in Baden-Württemberg. Darüber hinaus ist Baden-Württemberg mit zwei Studienzentren an der "NAKO Gesundheitsstudie", einer bundesweiten, langfristig angelegten epidemiologischen Studie auf dem Gebiet der großen Volkskrankheiten, beteiligt.
Eine beispielgebende Einrichtung im Bereich der patientenorientierten medizinischen Forschung und Behandlung ist auch das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg (NCT). Das NCT ist eine Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg, der Universitätsklinik Heidelberg, der Thoraxklinik Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Es verbindet unter einem Dach die interdisziplinäre Patientenversorgung auf höchstem Niveau mit exzellenter, weltweit anerkannter Krebsforschung.
Das Erfolgsmodell NCT hat national und international so viel Aufsehen erregt, dass bereits 2014 ein zweiter Standort in Dresden etabliert wurde. Dabei versteht sich das NCT als eine Einrichtung mit mehreren Eingängen. Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs hat der Bund Ende 2019 vier weitere NCT-Standorte ausgeschrieben. In dem hochkompetitiven Wettbewerb war die Universität Tübingen mit ihren Partnern Universität Ulm und Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart erfolgreich – das neue NCT SüdWest wird in den kommenden Jahren etabliert. Baden-Württemberg ist damit derzeit das einzige Bundesland mit zwei NCT-Standorten.
Der Innovationscampus Region-Rhein-Neckar ist ein besonderes Großvorhaben, das die anwendungsorientierte Spitzenforschung in den Lebens- und Gesundheitswissenschaften im Land und am Standort Rhein-Neckar stärkt. Dies schafft auch gute Voraussetzungen für Innovationen und eine gesteigerte Wertschöpfung im wirtschaftlich und gesellschaftlich hochrelevanten Gesundheitssektor. neue Innovationscampus befindet sich derzeit in der Etablierungsphase. Die inhaltlichen Förderschwerpunkte liegen bei den großen Volkskrankheiten, den Datenwissenschaften und der Anwendung von KI im Gesundheitsbereich, da hier die medizinischen Bedarfe und wissenschaftlichen wie wirtschaftlichen Potentiale besonders hoch sind.
Auf dem Gebiet der Gesundheitsforschung bietet Baden-Württemberg ein vielseitiges leistungsstarkes Umfeld für strategische Partnerschaften. Es ist der größte Standort der pharmazeutischen Industrie in Deutschland und mit mehr als 600 Medizintechnik-Unternehmen auch einer der führenden Standorte in Europa. Um diese Positionen weiter auszubauen und die Versorgung der Patienten und Patientinnen zu verbessern, werden Forschung und Entwicklung in der Gesundheitsforschung auch künftig vorangetrieben.
Um die Rahmenbedingungen für die Telemedizin im Land nachhaltig zu verbessern, haben Wissenschafts- und Sozialministerium gemeinsam die Arbeitsgemeinschaft Gesundheitstelematik gegründet, die zur Verbesserung des Transfers telemedizinischer Lösungen in den Versorgungsalltag beitragen soll. Zudem fördert das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst den Aufbau einer landesweiten Koordinierungsstelle Telemedizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Sie soll die im Land vorhandene Kompetenz in der Telemedizin bündeln und als Ansprechpartner für alle dienen, die ein Projekt im Bereich der Telemedizin planen oder hierfür Partner suchen.