Immaterielles Kulturerbe

Fünf der zehn Kulturerbe-Anträge von Länderjury positiv bewertet

Im Rahmen des ersten Bewerbungsverfahrens für das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes hat eine Jury aus unabhängigen Sachverständigen entschieden, welche der zehn bis 30. November vergangenen Jahres in Baden-Württemberg eingereichten Anträge zur weiteren Bewertung an die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder gesandt werden. Von dort gelangen die Bewerbungen zur Deutschen UNESCO-Kommission e. V. (DUK), wo eine bundesweite Expertenkommission im Herbst 2014 endgültige Auswahlempfehlungen für die Aufnahme in das neue bundesweite Verzeichnis treffen wird.

Zu den Mitgliedern des vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst berufenen baden-württembergischen Auswahlgremiums zählen Frau Prof. Dr. Cornelia Ewigleben (Direktorin des Landesmuseums Württemberg), Prof. Dr. Reinhard Johler (Direktor des Ludwig-Uhland-Institutes für Empirische Kulturwissenschaft, Universität Tübingen) sowie Prof. Dr. Werner Mezger (Geschäftsführer des Instituts für Volkskunde, Universität Freiburg).

Die Jury sah sich in Übereinstimmung mit den UNESCO-Richtlinien bei ihrer Auswahlentscheidung vor allem vier Kriterien verpflichtet. Um als immaterielles Kulturerbe listenfähig zu sein, muss eine kulturelle Ausdrucksform folgende Bedingungen erfüllen:

  1. Hinreichend belegtes Alter und entsprechende Tradition als kulturelles Erbe;
  2. Herausragende kulturelle bzw. kulturgeschichtliche Bedeutung;
  3. Ehrenamtliches Engagement der Funktionsträger und Organisatoren ohne Gewinnerzielungsabsicht;
  4. Regionaltypik und identitätsstiftende Wirkung für einen bestimmten geographischen Raum (besonders bei länderspezifischen Anträgen).

Positive Entscheidungen der Jury

Länderspezifische Anträge:

  • Schwäbisch-Alemannische Fastnacht
  • Peter-und-Paul-Fest in Bretten

Länderübergreifende Anträge:

  • Kulturelle Ausdrucksformen der Strohvermummung
  • Traditionelle Handwerksgesellenwanderschaft, die „Walz“, und die damit zusammenhängenden überlieferten zünftigen Gebräuche

Register guter Praxisbeispiele:

  • Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts zu Grosselfingen

Nicht zur Aufnahme empfohlen wurden die übrigen fünf Anträge. Dabei handelt es sich im Einzelnen um:

  1. Computerspielereihe EVOLUTION: INDIAN HUNTER
  2. Gastrosophie/Konversation über Koch- und Tafelkultur
  3. Moderner Tanz - Stilformen und Vermittlungstraditionen der Rhythmus-  und Ausdruckstanzbewegung
  4. Orgel (Orgelbau und Orgelmusik)
  5. Internationales Schattentheater-Zentrum Schwäbisch Gmünd

Im Einvernehmen mit den Jury-Mitgliedern wurden jedoch die ersten vier von der DUK vorab als „länderübergreifend“ vorgeschlagenen Anträge aus Baden-Württemberg trotz des ablehnenden Votums an die KMK weitergeleitet. Dieses Verfahren der Weiterleitung sämtlicher sogenannter länderübergreifender Anträge, die also von der geographischen Verbreitung entweder zwei oder mehrere Bundesländer betreffen, basiert auf einem aktuellen Beschluss des Kulturausschusses  der KMK, der die Weiterleitung dieser Art von Anträgen an die KMK und von dort an das DUK-Expertenkomitee ohne quantitative Beschränkung vorsieht.

Vom Ergebnis wurden somit neun der zehn in Baden-Württemberg eingereichten Anträge zur weiteren Bewertung und abschließenden Entscheidung über die Aufnahme in das neue nationale Verzeichnis für immaterielles Kulturerbe an die nächsten Instanzen weitergeleitet: fünf mit einem positiven Juryvotum, vier mit einem negativen Urteil der Länderjury. Und nur ein Antrag - der des Internationalen Schattentheater-Zentrums Schwäbisch Gmünd - schied aus dem laufenden Bewerbungsverfahren aus.

Deutschland ist seit Mitte Juli 2013 der 153. Vertragsstaat des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Das Übereinkommen fördert und erhält in allen Weltregionen überliefertes Wissen, Können und Alltagskulturen. Zum immateriellen Kulturerbe zählen unter anderem Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturheilkunde und Handwerkstechniken. Seit 2003 stellt die UNESCO diese kulturellen Ausdrucksformen mit einem Übereinkommen in den Mittelpunkt internationaler Kooperation.

Die Erstellung des bundesweiten Verzeichnisses ist eine Bestandsaufnahme kultureller Traditionen in Deutschland. Die Aufnahme ist eine öffentlich sichtbare Anerkennung der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Träger. Deutsche Nominierungen für internationale Listen des immateriellen Kulturerbes können erst nach Ende des deutschen Auswahlverfahrens frühestens im März 2015 bei der UNESCO eingereicht werden.

Deutsche UNESCO-Kommission e.V.: Immaterielles Kulturerbe

Deutsche UNESCO-Kommission e.V.: Innerstaatliches Umsetzungsverfahren in Deutschland